Über Carmen Costantini
Carmen ist HR-Managerin im Finanzsektor, die als halb Spanierin und halb Italienerin in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Diese kulturelle Vielfalt prägt nicht nur ihre Identität, sondern auch ihre Sichtweise auf die Welt. Mit einem tiefen Verständnis für verschiedene Kulturen und Traditionen bringt sie eine einzigartige Perspektive in ihre Interaktionen ein. Ihre multikulturelle Herkunft hat sie zu einer offenen und empathischen Person gemacht, die es liebt, Brücken zwischen Menschen zu schlagen und neue Perspektiven zu entdecken.
Über die Episode
Herzlich willkommen beim CULTiTALK! Wenn du dich schon einmal gefragt hast, wie internationale Zusammenarbeit wirklich funktioniert – jenseits von Standard-Floskeln und bunten Unternehmensbroschüren – dann bist du hier goldrichtig. In der heutigen Ausgabe des CULTiTALKs spricht Host Georg Wolfgang, Gründer von CULTURIZER, mit Carmen Costantini. Carmen ist internationale HR-Business-Partnerin mit Wurzeln in Spanien und Italien, aufgewachsen in Deutschland und mittendrin im täglichen Miteinander der Kulturen – bei einer internationalen Bank, die stark mit Spanien vernetzt ist.
Beide eint ein echtes Faible für kulturelle Vielfalt, ihre Auseinandersetzung mit Nationalkulturen und wie das alles im Kontext von Unternehmen konkret gelebt wird. Georg bringt dabei seine eigene Erfahrung aus einem Jahr China und der Arbeit mit BMW Brilliance ein, Carmen steuert tiefe Einblicke und pragmatische Tipps aus ihrem multinationalen Alltag bei.
Der Podcast entwickelt sich zu einem echten Werkzeugkoffer für deinen Umgang mit Diversity, Arbeitskultur und der Reflexion eigener Denkmuster.
Interkulturelle Kompetenz: Warum ist sie heute so relevant?
Du kennst diesen Moment vielleicht: Du arbeitest in einem internationalen Team, jemand kommt (wieder mal) zu spät, der Smalltalk wirkt endlos oder es gibt plötzlich Missverständnisse aus heiterem Himmel. Und irgendwann fragst du dich: Liegt das an mir, an der Person – oder spielen kulturelle Prägungen hier eine Rolle?
Carmen bringt es gleich zu Beginn auf den Punkt: Interkulturelle Kompetenz ist längst keine fakultative „Soft Skill“ mehr, sondern eine Schlüsselkompetenz. Globalisierung, virtuelle Teamstrukturen, Zusammenarbeit quer durch Zeitzonen – das alles bedeutet, dass Projekte, Erfolg und sogar dein persönliches Wohlbefinden massiv davon abhängen, wie empathisch, reflektiert und flexibel du dich in kulturellen Settings bewegen kannst.
Und es geht um mehr, als nur die offensichtlichen Unterschiede – Sprache, Freizeitgestaltung, Essen. Es sind oft die unsichtbaren Codes, die Einstellungen zu Zeit, Beziehung und Hierarchie, die den Ausschlag geben, ob Zusammenarbeit funktioniert oder eben nicht.
Nur mit How-To-Ratgebern zum Erfolg? Warum „So sind die Spanier“ zu kurz greift
Vielleicht hast du auch schon diese Bücher gesehen: „10 Dinge, die du über die Franzosen wissen musst“ oder „Deutsche und ihre Pünktlichkeit“. Georg spricht Carmen auf solche „How-to“-Ansätze an. Die ehrliche Antwort: Vergiss es!
Im Fokus steht bei ihren Trainings niemals das Reduzieren auf Klischees. Carmen schafft Raum zur Selbstreflexion, lässt erst einmal alle ihren Frust abladen: Was nervt gerade? Wo hakt es? Erst nachdem sich alle abreagiert haben, entsteht ein ehrlicher Dialog. Dann erst wird klar: Hier stoßen Haltungen und Werte aufeinander, die aus sehr verschiedenen Humus erwachsen sind. Es geht also nicht darum, Kulturen in Boxen zu stecken, sondern um Bewusstwerden, Austausch und ein Verständnis, das Konflikte entschärft, anstatt sie zu eskalieren.
Die drei Dimensionen interkultureller Kommunikation (Edward T. Hall)
Um nationale Unterschiede besser zu verstehen, empfiehlt Carmen ein pragmatisches Modell: das von Edward T. Hall. Drei Dimensionen helfen dir, Kommunikation und Zusammenarbeit zu dechiffrieren:
- a) High-Context vs. Low-Context
In „Low-Context“-Kulturen (z.B. Deutschland, USA) ist der Inhalt König. Was gesagt wird, ist direkt und ohne Schnörkel gemeint, häufig sogar schriftlich. „High-Context“-Kulturen (z.B. Spanien, Italien, China) hingegen setzen viel stärker auf Zwischentöne, Körpersprache, gemeinsame Geschichte und Beziehungen. Ein Beispiel: Ein „Ja“ aus einer High-Context-Kultur kann ein höfliches „Nein“ bedeuten – das zu übersehen führt geradewegs ins Missverständnis! - b) Monochrone vs. polychrone Zeitkultur
In Deutschland läuft die Zeit linear ab: ein Termin nach dem nächsten, Pünktlichkeit wird heilig gehalten. In Spanien oder Italien gibt der Mensch den Takt vor – da kann ein Flurgespräch wichtiger werden als der 16-Uhr-Kalender-Eintrag. Aus deutscher Sicht oft ein Grund für Frust, aus polychromer Sicht unverzichtbarer Beziehungsaufbau. - c) Raumwahrnehmung
Wo beginnt deine Komfortzone? In Deutschland gibt es – selbst ohne Corona – einen klaren Abstand zwischen Menschen. Anders ist das in Italien, Spanien oder im arabischen Raum: Hier signalisieren Nähe, Umarmungen und Küsschen Herzlichkeit und Wertschätzung. Ist das ein Kultur-Clash? Mit Reflexion erkennst du, dass beide Systeme funktionieren, sie sind nur unterschiedlich sozialisiert.
Persönliche Identität und das Spiel mit Zuschreibungen
Carmen gewährt persönliche Einblicke: Durch ihre Erziehung ist sie mitten im Spagat zwischen den Kulturen. Im Büro pünktlich und strukturiert, im Urlaub locker, ohne festen Plan. Für sie ist das kein Identitätsproblem – sie lebt die Zuschreibungen, aber entscheidet je nach Kontext, welchen Anteil sie betont.
Das spannendste Learning: Kulturen sind keine Einbahnstraßen. Egal wie „typisch deutsch“, „feurig italienisch“ oder „offen spanisch“ du bist – du trägst beides, oft mehr, als dir klar ist. Entscheidend ist, dass du Bewusstsein entwickelst und Flexibilität kultivierst.
Wer muss sich anpassen? Konfliktfeld Pünktlichkeit und Verantwortung
Der Klassiker: Pünktlichkeit. Wer muss sich ändern? Der, der immer zu spät kommt, oder die, die total darauf pocht? Carmen ist ehrlich: Für sie privat ganz klar Pünktlichkeit, aber im Beruf hilft nur Eines – offene Kommunikation und Humor. Wichtig ist, den Elefanten im Raum zu benennen, Bedürfnisse transparent zu machen.
Es geht dabei nicht um Selbstaufgabe, sondern darum, situativ einen Kompromiss zu schließen und beide Seiten wertzuschätzen. Der Knackpunkt: Beziehung versus Sachebene – ohne Beziehung läuft in manchen Kulturen gar nichts, auf Dauer auch nicht die Sache.
Unternehmenskultur vs. Nationalkultur: Wie viel Anpassung ist möglich?
Während in Deutschland viel über flache Hierarchien, partizipative Führung und Transparenz (New Work etc.) gesprochen wird, bleibt die nationale oder die Unternehmens-Kultur oft stark in klassischen Rollenbildern und Machtstrukturen verhaftet.
Was ist also ratsam, wenn du ein globales Unternehmen führst oder Teil von einem bist?
Carmen rät:
- Kenne die lokalen Kontexte – zentrale Steuerung hat Grenzen!
- Setze auf „Schnittstellen-Menschen“, die beide Kulturen kennen und vermitteln können.
- Mache dir und allen Mitarbeitern bewusst, dass deine „Core Values“ in den internationalen Kontext übersetzt werden müssen, aber lebendig bleiben – nicht stur übergestülpt, sondern flexibel ausgestaltet.
- Investiere in Awareness-Trainings, nicht nur einmal, sondern als kontinuierlichen Prozess.
Fallbeispiel: Das „deutsche“ Unterbinden des Mittagsschlafs in chinesischen Unternehmen ist keine Kleinigkeit, sondern ein tiefer Eingriff in ein zentrales kulturelles Bedürfnis. Wenn Manager solche Themen nicht reflektieren, verlieren sie Mitarbeiter, Motivation, Respekt und Innovation.
Warum Vielfalt als Bereicherung statt als Bedrohung sehen?
Vieles, was im Alltag triggert – sei es Lautstärke, Zeitverständnis, Nähe – ist neurobiologisch tief verankert: Unser Gehirn empfindet Unbekanntes instinktiv als Bedrohung, Sicherheit gibt das Vertraute. Reflexionsfähigkeit, wie Georg betont, ist daher kein Event, sondern ein Trainingsfeld. Sie lässt sich üben – am besten fängst du bei dir selbst an!
Warum fällt es dennoch so schwer, in Deutschland (und weltweit) Vielfalt offen zuzulassen? Krisen und Stress führen dazu, dass wir uns zurückziehen, Abwehrhaltungen entstehen. Schulen und Gesellschaften fördern diese Reflexion bisher kaum aktiv – Zeit, das zu ändern.
Schubladen, die Spaß machen: Klischees und was daran stimmt
Auch wenn Carmen und Georg betonen, nicht in Stereotypen zu denken, gibt es doch einige kulturelle Eigenheiten, bei denen man schmunzeln muss:
- Lautstärke: Nach italienischem Familienessen brauchst du als “typisch Deutscher” erst mal eine Woche Pause (oder ein Hörgerät).
- Herzlichkeit und Inklusion: In Italien und Spanien ist der 31. Gast kein Problem, Hauptsache, alle sind zusammen. In Deutschland weiß man oft gar nicht, ob Gäste spontan mitessen „dürfen“.
- Begegnung auf Augenhöhe: Während in manchen Kulturen Kinderwagen, Rollstuhl & Co. pragmatisch und selbstverständlich „mitgeschoben“ werden, begegnet man hierzulande oft organisatorischen Hürden.
Fazit: Die Unterschiede sind nicht Probleme, sondern bieten Chance und Lernfeld – wenn du sie mit Humor und Reflexion angehst.
Reflexion ist King! Deine Checkliste für die Praxis
Was kannst du konkret tun, egal ob als Führungskraft, HR, Teammitglied oder Unternehmer:
- Benenne das Unausgesprochene.
Triff bewusste Feststellungen: „Mich triggert XY weil…“ und teile das offen (auch – und gerade – im internationalen Kontext). - Schaffe Reflexionsräume.
Regelmäßige Trainings, Meetings oder Einzelgespräche, in denen auch Emotionen, Ärger und Unsicherheit Platz haben, zahlen auf Teamleistung ein. - Humor als Brücke.
Nimm dich selbst weniger ernst, nutze Humor, um Spannungen abzubauen und Offenheit zu fördern. - Grenzen anerkennen.
Du wirst dich nie 100% anpassen können – aber ein paar Schritte in die andere Richtung machen, reicht oft schon für mehr Verständnis und weniger Frust. - Kulturell übersetzen, statt kopieren.
Übertrage (Unternehmens-)Kultur in den lokalen Kontext. Core Values müssen wandelbar sein, damit sie international verankert werden können.
Zum Abschluss: Interkulturelle Kompetenz als Lebensaufgabe
Ob du willst oder nicht: Die Welt dreht sich weiter, auch in deinem Unternehmen, in deinem Team. Die Aufgabe bleibt: Eigene Denkmuster um- und aufbrechen, neugierig bleiben, dich auf die Ebene deines Gegenübers einlassen und Vielfalt als echte Ressource erkennen – nicht als Überforderung.
Oder wie Carmen so schön sagt:
„Man muss nicht alles für gut befinden, aber Verständnis ist halt wichtig.“
Also, sei mutig, misch dich ein, frage nach dem „Warum“ und gönn dir und deinem Team ein bisschen mehr Reflexion, um am Ende gemeinsam erfolgreicher zu sein.
Alle Links zu Carmen Costantini:
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/carmen-c-66a6a01a1/
Unternehmen: https://www.caixabank.es