Über Franziska Kienzler

Weltentdeckerin Franziska Kienzler hat in Köln, Buenos Aires, Maastricht und Barcelona gelebt, bis sie 2018 ihre Zelte in Karlsruhe bei Workwise aufschlug. Dort verantwortet die studierte Sozialwissenschaftlerin und Psychologin den People-Bereich des Anbieters für Recruiting-Lösungen. Mit ihrem Team behielt sie dort in den vergangenen Jahren den Überblick über 40-230 Mitarbeitende, die mit Workwise Jobsuchende und Arbeitgebende auf Augenhöhe zusammenbringen. Was sie will? Neugierige Wegbegleiterin sein, die nach- und vorausdenkt, um die passendste Reisecrew bestmöglich an immer neue Ziele zu bringen.

Über die Episode

In der aktuellen Folge vom CULTiTALK trifft Georg Wolfgang, Gründer von Culturizer und Host dieses Podcasts, auf Franziska Kienzler, Head of People beim Karlsruher Recruiting-Spezialisten Workwise (ehemals Campusjäger). Beide bewegen sich seit Jahren an der Schnittstelle zwischen innovativer Unternehmenskultur und modernen Organisationen. Georg, immer auf der Suche nach echten Insights, lotet mit Franziska die Historie und Zukunft ihrer Company-Kultur aus. Das Gespräch entwickelt sich zu einer spannenden Reise durch Start-up-Wachstum, Werte im Wandel, die Tücken und Chancen moderner People-Arbeit sowie die Frage: Wie bleibt eine Unternehmenskultur gesund, lebendig und resilient – egal ob 30 oder 230 Mitarbeitende?

Vom Start-up zur Skalierung: Wie alles begann

Franziska ist seit mittlerweile fast sieben Jahren bei Workwise für die People-Themen verantwortlich – und damit maßgeblich mitgewachsen. Gestartet ist sie in einem „studentisch geprägten“ Team – etwa 30 bis 40 Köpfe damals, gegründet von zwei Studierenden am KIT in Karlsruhe. Vieles war improvisiert, aber (wie sie selbst sagt) erstaunlich gut strukturiert – „ingenieurhaft analytisch“. Sogar Bewerbungs- und Auswahlverfahren hatten schon eine bemerkenswerte Tiefe – vom Gehaltsframework bis zum wissenschaftlich robusten Hiring-Prozess.

Was auffällt: Der Anspruch war von Anfang an hoch. Nicht nur, weil Workwise selbst im Recruiting-Business aktiv ist, sondern weil die Gründer Wert darauf legten, die eigene Kultur bewusst zu gestalten, Verantwortung zu teilen und klare Erwartungen zu formulieren. Dieses „nicht gründerzentrierte“, selbstwirksame Miteinander wurde zur DNA.

Wachstumsphase: Strukturen, Führung, Werte

Der starke Wachstumsschub nach dem Investment veränderte alles. Neue Festanstellungen, ausdifferenzierte Rollen und die Notwendigkeit, etablierte Prozesse und Strukturen zu schaffen, wurden angesagt. Eine Kernaufgabe für Franziska: Die erste Führungsebene zwischen Gründern und Team etablieren, Entwicklungsmöglichkeiten bieten, ein Gehaltsframework bauen, Beförderungskriterien festlegen, Karrierekorridore gestalten. Dabei half die Grundstruktur aus der Anfangszeit, denn vieles musste „nur“ weiterentwickelt, nicht bei Null aufgebaut werden.

Der Wandel: Von Gründerwerten zur Teamkultur

Die große Frage: Wie lange prägen die Werte der Gründer die DNA? Und wann beginnt man, sich davon ein Stück weit zu emanzipieren – Raum für neue Führungskräfte, diversere Teams, andere Perspektiven zu schaffen?

Hier zeigt sich ein zentrales Spannungsfeld: Während die Gründer keine „Sternführung“ wollten und auf hierarchiefreies Miteinander setzten, hilft Vorleben trotzdem ungemein zur Orientierung. Und natürlich ändert sich das Spielfeld: Je größer ein Unternehmen wird, desto spezifischer werden die Aufgaben, desto scharfkantiger die Verantwortungsbereiche, desto wichtiger Struktur und Kommunikation. Zwischenzeitlich gab es laut Franziska auch Phasen, in denen der „Start-up-Spirit“ von mehr Struktur und Prozessen abgelöst wurde. Aber: Auch in solchen Übergängen bleibt der Kern der Kultur oft erstaunlich stabil – selbst wenn sich die Form verändert.

Unternehmensgröße: Zwischen Nähe und Anonymität

Ein besonders spannender Aspekt im Gespräch: Wie verändert sich die Art, Kultur zu gestalten und Feedback einzusammeln, wenn die Company wächst? Mit 30 Leuten ist jeder noch nah dran, alle wissen Bescheid, Feedback ist direkt. Bei 230 Angestellten entstehen natürliche Distanzen – und damit neue Herausforderungen für HR/People-Teams.

Workwise setzt hier auf verschiedene Ebenen: Es gibt regelmäßige Leadership-Roundtables, bei denen Führungskräfte als Verstärker und Feedback-Filter wirken und umgekehrt Impulse ins Team einspeisen. Quantitative wie qualitative Survey-Formate (wie der monatliche ENPS) helfen, Stimmungen zu erfassen. Besonders wichtig: Nicht nur nach Zahlen gehen (wie viel Prozent sind happy?), sondern hinschauen, zuhören, individuelle Rückmeldungen ernstnehmen – und Konsequenzen sichtbar machen.

Franziska betont: Unternehmenskultur ist ein ständiger Aushandlungsprozess. Was für die „alten Hasen“ als früherer Standard gilt, ist für Neueinsteiger längst Unternehmensgeschichte. Immer wieder synchronisieren sich Perspektiven neu – nicht nur rückwärtsgerichtet, sondern im täglichen Doing.

„Kulturhistorischer Lebenslauf“ – Eine Methode für kollektives Lernen

Georg steuert hier eine spannende Moderationsidee bei: Den „Cultural CV“. Mitarbeitende reihen sich nach Betriebszugehörigkeit auf, sammeln prägende Momente und bewerten diese als „Pleasure“ oder „Pain Points“. Im kollektiven Erzählen werden so Konflikte, Wachstumsschmerzen, Glücksmomente oder Unsicherheiten sichtbar. Es wird deutlich, dass Vergangenheit mehr ist als bloße Nostalgie – sie prägt Erwartungen, Verhalten und das tägliche Miteinander.

Gerade in schnell wachsenden Organisationen machen solche Formate erlebbar, wie unterschiedlich die inneren Landkarten der Mitarbeitenden aussehen. Wer vor drei Jahren an Bord kam, verbindet ganz andere Stories mit „Workwise-Kultur“ als die ehemalige Werkstudentin, die heute Führungskraft ist.

Dynamik und Unsicherheit: Was hilft in stürmischen Zeiten?

Das Recruiting-Umfeld ist – nicht erst seit den letzten Krisenjahren – ein hart umkämpftes Pflaster. Workwise hat das am eigenen Leib erfahren: Nach einer extremen Wachstums- und Investmentphase kam Konjunkturflaute, Marktsättigung, Unsicherheit bei Kund:innen. Die Folge: Neue Schwerpunkte, neue Erwartungen, manchmal auch neue Ängste im Team.

Franziskas Perspektive: Gerade jetzt zählt, was Teams tatsächlich beeinflussen können. Selbstwirksamkeit, Orientierung, Raum für individuelle und kollektive Erfolgserlebnisse. Statt Lähmung durch Angst braucht es Fokus auf das, was im Machbaren liegt. „Erfolgserlebnisse im Kleinen“, sagt sie, machen Teams resilient und entwickeln Stolz auf das gemeinsam Erreichte.

Und: Genau in solchen Phasen dürfen Maßnahmen für Mitarbeitende nicht vernachlässigt werden. Menschliche Nähe, Austausch, Reflexion, Ermutigung – all das wirkt doppelt, wenn Draußen die Märkte brodeln. Hier trennt sich, so der Tenor, im wahrsten Sinne die sprichwörtliche Spreu vom Weizen in People-Teams.

Feedback, Sichtbarkeit und Konsequenzen

Ein Kernpunkt aus Franziskas Alltag: Feedback ist nur dann wirksam, wenn etwas passiert. Die schönste Umfrage verpufft, wenn Vorschläge oder Kritik ins Leere laufen. Umgekehrt entsteht Bindung, wenn Veränderungen adressiert und sichtbar gemacht werden – selbst wenn nicht jede Einzelidee umgesetzt werden kann. Transparenz über Motive, Grenzen und Priorisierungen holt Leute ab und sichert Glaubwürdigkeit.

Ein weiterer Insight: Gerade in hybriden Modellen (anonymes Survey, persönliche Gespräche, Feedbackrunden) entsteht ein umfassendes, ehrliches Bild – besser als jede alleinige Kennziffer.

„People first“ – Warum gerade schwierige Zeiten Invest ins Team verlangen

Implizites Learning aus dem Talk: In angespannten Zeiten geraten Maßnahmen für Menschen, HR-Budgets, Entwicklung und soziale Interaktion gerne als erstes auf die Streichliste. Falsch, findet Franziska – und Georg ergänzt: Wer dann nicht in Menschen investiert, verliert zuerst die, die es sich leisten können zu gehen, also die Besten.

People-Arbeit in unsicheren Zeiten muss also doppelt präsent, zugänglich und kreativ sein – gerade wenn operative Aufgaben oder politische Brände die Zeit rauben. Echte Zeit, Gespräch, individuelle Aufmerksamkeit sind dann wertvoller als jedes standardisierte Incentive.

Kultur ist kein Projekt, sondern ein Prozess

Beide Gesprächspartner halten wenig von „Kulturprojekten“. Weder kurzfristigen Leuchtturm-Missionen („jetzt machen wir mal Werte“) noch einmaligen Interventionsformaten, die alles heilen sollen. Unternehmenskultur, das ist die große Botschaft, muss kontinuierlich begleitet, reflektiert und nachjustiert werden. „Jeden Tag kleine Schritte, immer wieder Haltung zeigen, Feedback aufnehmen, Kollaboration leben.“ Das Bild, dass Kultur sich sowohl organisch als auch steuerbar entwickelt – aber nie einmalig abgehakt werden kann – ist ein durchgehendes Leitmotiv.

Der Vorteil kleiner Organisationen: Manches regelt sich „on the fly“. Doch je mehr Köpfe, je unübersichtlicher die Strukturen, desto bewusster muss Kultur gemacht werden – nicht als Überstruktur, sondern im täglichen Handeln, Miteinander, Zuhören.

Wandel bleibt (immer) – und wie man ihm begegnet

Ein zentraler Punkt: Wachstum, Krisen, Fluktuation – all das ist normal, bringt immer wieder Veränderung, teils Unsicherheit, teils Chancen. Die eigentliche Kunst liegt darin, Handlungsspielräume für alle sichtbar und nutzbar zu machen, Beteilgung zu fördern, Vertrauen zu stärken und immer wieder den Kompass neu auszurichten.

Ein wichtiger Impuls: Offen zu bleiben für Feedback aus allen Richtungen, auch für gesellschaftliche Veränderungen (z.B. Inklusionsthemen, Diversität), und gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen zu erarbeiten, statt von oben herab zu beschließen.

Recruiting, das Kultur fördert

Franziska bringt es immer wieder aufs Recruiting zurück – kein Wunder: Workwise lebt davon, den perfekten Match zwischen Unternehmen und Kandidat:in zu finden. Doch auch hier gilt: Es braucht nicht nur fachliche Skills, sondern vor allem Menschen, die das Miteinander bereichern, die Wandel positiv sehen, die Lust haben, gemeinsam zu wachsen – und für die bestehende Werte kein Korsett, sondern ein Startpunkt sind.

 

 

Fazit – Takeaways für Deine eigene Kulturreise

 

1. Unternehmenskultur ist Alltag, kein Ausnahmeprojekt.

Setz auf stete Justierung, kleine Interventionen, offene Kommunikation – jeden Tag.

2. Wachstum heißt Wandel heißt Neuorientierung.

Erkenne, dass frühere Erfolgsmuster nicht für ewiges Wachstum taugen – und alte Werte auch neuen Raum machen können, ohne sich zu verlieren.

3. Feedback braucht sichtbare Wirkung.

Wenn Du Umfragen machst: Zeig, dass die Stimme zählt. Kommuniziere offen, was daraus passiert, und erkläre auch, wenn etwas nicht möglich ist.

4. Gerade in der Krise investieren!

Wer in People-Phasen spart, schadet nicht nur dem Betriebsklima, sondern langfristig dem Unternehmenserfolg.

5. Werte operationalisieren und leben.

Nicht nur kommunizieren! Frag Dich und Dein Team regelmäßig: „Wie verhalten wir uns im Alltag tatsächlich? Was braucht unser Miteinander jetzt?“

6. Jeder Kulturmoment zählt.

Vom Onboarding über das Offboarding, vom All-Hands bis zum 1:1-Gespräch – jede Interaktion stiftet neue Kultur.

7. Bleib neugierig.

Erprob neue Methoden wie den „Cultural CV“, schau auf die Geschichte Deiner Organisation und lerne daraus – für heute und morgen.

Alle Links zu Franziska Kienzler:

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/franziskakienzler/

Unternehmen: https://www.workwise.io/