Über Joëlle Bühler
Joëlle ist Gründerin von Heartsoul – einer Plattform für ganzheitliche Führung und bewussten Kulturwandel. Mit über 14 Jahren Erfahrung in HR, Leadership und Transformation begleitet sie Menschen und Organisationen dabei, Führung neu zu denken – klar, authentisch und mit innerer Ausrichtung. Heartsoul entstand aus dem Wunsch, Räume für echte Verbindung, Sinn und nachhaltige Veränderung zu schaffen. Im Zentrum steht der Herzensweg als Kompass für persönliche Klarheit und kulturelle Entwicklung.
Über die Episode
Diesmal begrüßt Host Georg Wolfgang die powervolle Joëlle Bühler, Gründerin von Heartsoul. Direkt zu Beginn der Folge machen beide klar, dass der Fokus auf Joëlles persönlicher Reise, ihrem Weg in die Selbstständigkeit, ihrer Arbeit bei Heartsoul und dem Themenkomplex „ganzheitliche Führung“ liegt. Es wird deutlich: Joëlle blickt auf umfassende Erfahrungen in der internationalen Unternehmensberatung und als HR-Führungskraft zurück.
Joëlle stellt sich als Wirtschaftssoziologin vor mit Studien in Luzern, Zürich und Berlin. Ihr Werdegang startete in der internationalen Unternehmensberatung, nach einigen Jahren wechselte sie auf die Unternehmensseite in eine HR-Führungsposition. Seit über einem Jahrzehnt ist für sie „People and Culture“ berufliche DNA: Sie begleitet Menschen und Organisationen in Transformationsprozessen und legt Wert darauf, dass innere Klarheit Voraussetzung für wirksames Handeln im Außen ist.
Ein zentrales Element war die Geburt ihrer Tochter vor über zwei Jahren, die Joëlle dazu motivierte, ihre Werte neu zu justieren. Diese Reflexion führte sie dazu, Heartsoul zu gründen und den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Sie berichtet authentisch, dass äußere Erfolge allein keine innere Erfüllung garantierten und sie dem inneren Drang folgte, mehr Sinn in ihrem Handeln zu finden.
Der innere Wertekompass und der Sprung in die Selbstständigkeit
Joëlle gibt einen offenen Einblick, warum Werte für sie essenziell sind. Ihre Grundhaltung: Echtes Wirken im Außen gelingt nur auf Basis von innerer Klarheit. Sie berichtet von Schicksalsschlägen im privaten Umfeld, die sie dazu brachten, zu fragen, was das Leben wirklich lebenswert macht. Tragische Momente hätten ihr geholfen, zuzuhören und ihr Leben und Handeln zu reflektieren.
In ihrem Karriereverlauf war sie zwar nach außen erfolgreich (Karriereleiter, HR-Leitung), aber nicht immer erfüllt. Die wiederkehrende Erkenntnis, Träume nicht länger vor sich herzuschieben, brachte sie zur Neuausrichtung. Sie betont, dass Karriere und Selbstverwirklichung nicht zwangsläufig gleichbedeutend sind – auch gesellschaftliche Zuschreibungen von „Erfolg“ stimmen nicht immer mit dem inneren Erleben überein. Dieser Prozess ist laut Joëlle ein Privileg, das aber auch Verantwortung mit sich bringt.
Die Rolle von HR – Räume für Sinn und Entwicklung schaffen
Für Joëlle ist der Kern der HR-Abteilung, einen Raum zu schaffen, in dem individuelle Erfüllung möglich wird. Gleichzeitig muss dies von der Geschäftsleitung vorgelebt werden. Sie spricht über ihre Erfahrungen: Oft wurde sie für ihre Leistungen und Karriereschritte von außen bestärkt, ohne sich selbst immer erfüllt gefühlt zu haben. Durch ihren Hintergrund im Leistungssport (Eiskunstlauf) lernte sie früh, Leistung zu bringen, aber eben auch, dass Leistung allein keine Erfüllung garantiert. Im Unternehmen sieht sie HR in der Pflicht, Führungskräfte zur ganzheitlichen Führung zu befähigen. Die Verantwortung liegt aber genauso in der Geschäftsleitung: Raum für Sinn, Entwicklung und ein menschlich geprägtes Arbeiten muss von oben gewollt und vorgelebt werden.
Leistung, Zufriedenheit und die Rolle von Führung
Georg baut auf: Gesellschaftlich dominiert noch das Bild, Leistung und Zufriedenheit stünden im Widerspruch – gerade in Unternehmen klingt „mehr Raum für Menschlichkeit“ für viele immer noch wie ein Luxusproblem oder ein „weiches Thema“. Dies steht im Kontrast zu Joëlles Haltung: Ein Umfeld, in dem sich Menschen wohlfühlen und Sinn erleben, fördert Leistung, nicht umgekehrt.
Joëlle sieht eine Verschiebung: Die Arbeitswelt steht vor einem Wandel, Effizienz und Empathie dürfen nicht als Gegensätze betrachtet werden. Leistung entsteht aus Klarheit, Sinn und Verbindung, was auch psychologische Sicherheit und Vertrauen voraussetzt. Sie teilt die Anekdote einer Führungskraft, deren Chef meinte, Effizienz und Empathie seien Gegensätze – für Joëlle ein überholtes Denkmodell, da Humanität und Innovationskraft nur gemeinschaftlich gedeihen können.
Die Leistungsgesellschaft und ihr Wandel
Joëlle betont, dass unser Verständnis von Produktivität und Arbeitszeit überholt ist. Die Erfahrung der Pandemie und das Homeoffice haben Möglichkeiten aufgezeigt, Arbeit neu zu denken, etwa die Arbeitszeiterfassung auf den Prüfstand zu stellen. Noch dominiert vielerorts der Präsentismus: Anwesenheit und lange Arbeitszeiten gelten als Erfolgsindikatoren, dabei sagen sie wenig über den tatsächlichen Output aus. Joëlle plädiert für mehr Vertrauen, Raum für Fehler und Lernen – genau wie im Sport ist es wichtig, Fehler zuzulassen und als Chance zu sehen. Diese Kultur muss vom Unternehmen und der Führung bewusst gefördert werden.
Leistungssport als Metapher für Arbeit und Führungskultur
Georg nutzt den Leistungssport als Metapher: Im Sport zählt nicht allein die investierte Zeit, sondern gezieltes, effizientes Training, Pausen und individuelles Coaching führen zu Hochleistung. Im Unternehmen hingegen herrscht manchmal die Vorstellung, einfaches „Mehr arbeiten“ bringe zwangsläufig mehr Leistung. Joëlle schildert ihre Erfahrungen aus dem Eiskunstlauf. Trotz des frühen Leistungsgedankens und Drucks blieb für sie die Leidenschaft führend. Sie erkennt aber heute, wie selbstverständlich ihr das Leisten geworden ist, hinterfragt aber, was Leistung heute bedeuten sollte. Organisationen müssen sich fragen, wofür Leistung erbracht wird und wie sie entstehen kann. Auch Mitarbeitendenbefragungen sollten kritisch überprüft, deren Ergebnisse genutzt – nicht nur als Alibi.
Individuelle und organisationale Perspektive auf Leistung und Sinn
Georg hebt hervor, dass Leistung und Engagement im Sport oft aus Eigenmotivation erfolgen, nicht aus Zwang. Im Unternehmen sollte nicht von jedem übertriebener Einsatz erwartet werden: Verantwortung der Organisation ist, einen Kontext zu schaffen, die Erwartungen klar zu kommunizieren und zu differenzieren: Was erwarte ich von Führungskräften, was von Mitarbeitenden? Joëlle bestätigt das und schildert beispielhaft ihren Ausstieg aus dem Leistungssport als Kind, bei dem der Schutz durch ihren Vater entscheidend war. Sie hebt hervor, dass Führung Klarheit, Orientierung und Begeisterung schaffen muss.
Viele Menschen „lieben“ ihren Job nicht, aber Unternehmen sollten darauf hinarbeiten, dass ein Zweck, eine Begeisterung, ein Sinn spürbar ist. Employer Branding, Attraktivität als Arbeitgeber und ein authentisches, strategisch verankertes Werte- und Erwartungsmanagement sind für Joëlle essentiell. Sie mahnt, dass viele Organisationen versäumen, sich mit den zentralen Fragen auseinanderzusetzen: Was erwarten wir wirklich, wohin wollen wir und was begeistert unsere Mitarbeitenden?
Der Unterschied zwischen Employer Branding und echter Kulturarbeit
Georg kritisiert, dass viele Unternehmen Employer Branding als reine Employer Brand aufbauen, die nach außen wirkt. Der Kern – eine auf Wertschätzung und Sinn orientierte Unternehmenskultur, in der Produktivität und Wohlbefinden Hand in Hand gehen – wird oft ignoriert. In dysfunktionalen Kulturen wird Loyalität zu Kollegen zum Hauptbindeglied, integrative, unterstützende Teams als positiv erlebt, während die eigentliche Aufgabe oder technische Komponente zweitrangig bleibt. Diese kulturellen Faktoren sind entscheidend für Produktivität und Mitarbeiterbindung, werden aber häufig zugunsten einer schicken Außendarstellung vernachlässigt.
Der Weg in die ganzheitliche Führung
Der zweite Schwerpunkt im Gespräch ist das Thema „ganzheitliche Führung“. Eingebettet in Kultur- und Wertearbeit beschreibt Joëlle, dass Führung eine Haltung, nicht nur eine Funktion ist. Ganzheitliche Führung bedeute, Menschen als Menschen zu sehen, und zwar mit Verstand, Herz und Seele. Um ein Umfeld der Offenheit, Innovation und Produktivität zu erschaffen, müssen klare Rahmenbedingungen geschaffen werden. Echtes Erwartungsmanagement, Kommunikation und Glaubwürdigkeit sind die Basis. Strategien und Leitbilder dürfen nicht bloße Papiertiger bleiben, sondern müssen in Verhalten, Alltag und Entscheidungen für alle Ebenen spürbar hinterlegt sein.
Konsistenz, Konsequenz und Glaubwürdigkeit in der Führungskultur
Georg betont, dass Kulturarbeit kein einmaliges Projekt ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Es reicht nicht aus, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Nur eine konsequente, konsistente Umsetzung unter Einbindung und Echo von allen Ebenen – von der Geschäftsleitung bis zu Führungskräften und HR – trägt zu echter Veränderung bei. Oft werde gut gestartet, aber die Konsequenz im „Dranbleiben“ geht verloren – gerade, wenn Krisen, Stress oder Zielkonflikte auftreten. Das Resultat sind vielfach Lippenbekenntnisse statt echter Transformation.
Joëlle betont, dass Organisationsentwicklung stets mit Persönlichkeitsentwicklung einhergeht. Innere Klarheit und kontinuierliches Lernen gelten individuell wie kollektiv. Entwicklungen enden nie, sondern verlangen ständige Justierung.
Führungskultur ist nicht verhandelbar – oder doch?
Ein kritischer Punkt im Gespräch: Viele Unternehmen stellen Employer Branding oder neue Führungsleitlinien zwar ins Schaufenster, lassen aber die Verbindlichkeit vermissen. Die Umsetzung wird Führungskräften zur freiwilligen Option gemacht, was zu einer „Führungslotterie“ führt: Mitarbeitende hängen von der individuellen Haltung ihrer Vorgesetzten ab, statt auf einen unternehmensweiten Standard zählen zu können.
Georg stellt klar: Unternehmenskultur, Führungskultur und Employer Brand sollten nicht zur Wahl stehen, sondern sind nicht verhandelbare, unternehmerische Entscheidungen, für deren Umsetzung alle (insbesondere die Führungsmannschaft) in die Pflicht genommen werden müssen. HR ist gefordert, Instrumente, Tools und Begleitung zu bieten, aber die Entscheidung als solche ist verbindlich und nicht der Beliebigkeit überlassen.
Die Konsequenzen für Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftemangel
Joëlle sieht hier eine natürliche Selektion: Unternehmen, die Werte und Kultur nicht konsequent leben, werden zukünftig Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Bindung von Talenten haben. Menschen wählen Unternehmen immer stärker nach deren Authentizität, Werteorientierung und tatsächlich gelebter Kultur aus. Gerade vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, diese Themen zu vernachlässigen.
Ausblick: Krise als Katalysator für Kulturwandel
Georg ergänzt, dass aktuelle Krisen (Pandemie, Konjunktur, gesellschaftliche Unsicherheit etc.) häufig dazu führen, dass klassische, wenig empathische Führungsstile wieder aufleben. Langfristig wird der Wettbewerbsvorteil aber bei jenen Unternehmen liegen, die resilient, menschenzentriert und kulturell konsequent aufgestellt sind. Das nächste Jahrzehnt wird aus Sicht beider Gesprächspartner eine Zeit, in der sich dieser Wandel radial vollzieht und innovative, menschenzentrierte Organisationen die Nase vorn haben.
Schlusswort und Wünsche
Das Gespräch schließt mit einem positiven Ausblick: Beide drücken die Hoffnung aus, dass in fünf bis zehn Jahren vieles, was heute noch als „Soft Skill“ oder fortschrittlich gilt, zum Standard geworden ist – Führung auf Augenhöhe, die den Menschen sieht, Wertearbeit mit Konsequenz und eine wirklich gelebte, ganzheitliche Kultur. Georg bedankt sich herzlich bei Joëlle für das inspirierende Gespräch und wünscht ihr auf ihrem weiteren Weg mit Heartsoul viel Erfolg und Sinn.
Joëlle bedankt sich ebenfalls, hebt die Bedeutung von Kulturarbeit hervor und wünscht sich, dass sie und Georg im Rückblick auf dieses Gespräch irgendwann schmunzeln können, weil ihre damaligen Anliegen dann gelebte Selbstverständlichkeiten geworden sind.
Fazit in eigenen Worten
Diese Podcast-Folge ist ein eindrucksvolles Plädoyer für die Transformation der Arbeitswelt hin zu mehr Sinnorientierung, Menschlichkeit und gelebten Werten – verwoben mit persönlichen Einblicken von Joëlle Bühler, die ihren beruflichen und privaten Wandel offen reflektiert. Die Diskussion um Leistung, Kulturwandel, Employer Branding und ganzheitliche Führung ist fundiert, griffig und lebensnah, die Kritik an gängigen Reflexen, altem Führungsverständnis und Lippenbekenntnissen klar und differenziert.
HR, Unternehmensleitung und Führungskräfte werden zur Reflexion und zum echten Wandel eingeladen: Der Schlüssel zu nachhaltiger Produktivität, Mitarbeiterbindung und Unternehmenserfolg liegt im ständigen, glaubwürdigen Arbeiten an Kultur – und daran, Menschen als Menschen zu sehen.
Diese Debatte liefert einen reichhaltigen, anwendungsorientierten Rahmen für alle, die tief in Kultur- und Führungsfragen eintauchen und dabei den Menschen in den Mittelpunkt stellen wolle
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/jo%C3%ABlle-b%C3%BChler-ziegler/
Unternehmen: www.heartsoul.ch