Über Jennifer Böhmer

Jennifer ist als Personalentwicklerin eine leidenschaftliche Expertin, die sich der Entwicklung von Menschen und Teams widmet. Als Trainerin und Coach beobachtet sie die Dynamiken innerhalb von Teams, erkennt Stärken und Verbesserungspotenziale und fördert eine harmonische Zusammenarbeit. Ihr Ziel ist es, individuelle und kollektive Fähigkeiten optimal zur Geltung zu bringen und eine positive Unternehmenskultur zu schaffen.

 

Über André Kindling

André Kindling ist seit Jahrzehnten aus Überzeugung in der Pharmabranche tätig um die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten deutlich und nachhaltig zu verbessern. Neben den ärztlichen Fachgruppen engagiert er sich mit den Gesundheitsthemen auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene, um mit seinem Team einen größtmöglichen Effekt zu erreichen. Die Funktion als Geschäftsführer Deutschland füllt ihn deswegen aus, weil er mit viel Engagement und Spaß, gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Zukunft des Unternehmens definieren und umsetzen kann. Und in seinem Privatleben kocht er für sein Leben gerne und hat das Motorradfahren wieder für sich entdeckt.
 

Über die Episode

In dieser Ausgabe des CULTiTALK begrüßt Host Georg Wolfgang die beiden Gäste Jennifer Böhmer und André Kindling von der Besins Healthcare GmbH. Schon im Einstieg wird klar: Das Thema Werte und Unternehmenskultur steht diesmal im Fokus, Anlass ist der erfolgreich begleitete Werteprozess des Unternehmens, der unter anderem mit Hilfe der Culturizer-Plattform gestaltet wurde.

Georg gibt mit gewohnter Schlagfertigkeit ein Intro, in dem sowohl die Hürden der Studiofindung als auch die Vorfreude auf das Gespräch mit seinen beiden Gästen humorvoll angesprochen werden. Jennifer Böhmer stellt sich als Learning and Development Managerin vor und schildert ihren Einstieg ins Unternehmen Anfang März des Vorjahres, bei dem sie direkt tief in das Werteprojekt involviert wurde. André Kindling, Geschäftsführer der deutschen Besins-Gesellschaft, bringt über 20 Jahre Erfahrung im Pharma-Bereich mit und betont, wie zentral Unternehmenskultur und Werte im aktuell sehr dynamischen Unternehmensumfeld sind.

Unternehmenshintergrund und globale Entwicklung

Besins Healthcare ist ein auf Hormone spezialisiertes, familiengeführtes Pharmaunternehmen mit monegassischem Mutterhaus und globalem Agieren. Eine Besonderheit besteht darin, dass das Unternehmen historisch dezentral gewachsen ist und die führenden Gesellschaften autonom arbeiten. In letzter Zeit wurde jedoch verstärkt an einer Angleichung und Konsolidierung der Ländergesellschaften gearbeitet, sodass auch die Unternehmenskultur „zusammenwachsen“ sollte. Dies geschah unter der Führung der Söhne des Firmengründers, die die globale Strategie mit neuen Anforderungen und Werten prägen. Das Ziel: ein gemeinsames Werte- und Kulturverständnis für alle Standorte – trotz verschiedenster regionaler Herausforderungen und gesetzlicher Unterschiede wie in Deutschland.

Die Entstehung der Werte

Ein zentrales Thema der Folge ist die Einführung von Unternehmenswerten. Ursprünglich gab es bei Besins keine festgelegten Werte, doch mit der Unternehmensübergabe an die nächste Generation wurde ein umfassender Werteprozess angestoßen. Die Werte sollten die gegenwärtigen Anforderungen abdecken, gleichzeitig aber auch dynamisch und anpassbar für zukünftige Entwicklungen bleiben. Sie wurden als globale Werte für alle Standorte entwickelt und in gemeinsamer Abstimmung mit der Unternehmerfamilie, der Kommunikationsabteilung und Vertretern der unterschiedlichen Länder erarbeitet.

Statt Werte „aufzupfropfen“, wurde großer Wert auf einen partizipativen Ansatz gelegt: Die Werte sollten identitätsstiftend sein und im Alltag wirklich gelebt werden. Jennifer beschreibt die Entstehung so, dass in Workshops zunächst die Frage im Raum stand, was eine Familie – eine klare Anspielung auf die familiären Wurzeln – eigentlich ausmacht. Daraus wurden Werte wie „fürsorglich“ oder „vertrauenswürdig“ abgeleitet. Weitere Werte thematisieren Unternehmertum, Zukunftsorientierung und Leidenschaft und beschreiben so die gewünschte Unternehmenskultur einer lernenden, mitarbeiterzentrierten und verantwortungsbewussten Organisation.

Globale Werte vs. lokale Identität

Ein zentraler Diskussionspunkt im Podcast: Lässt sich eine einheitliche Unternehmenskultur und Wertegrundlage wirklich global ausrollen? Georg Wolfgang hakt nach, wie man den Spagat zwischen lokalen Eigenheiten und global einheitlichen Werten meistert. André und Jennifer bestätigen die Herausforderungen – vor allem im Spannungsfeld von Autonomie und einheitlichem Zielbild. Wichtig war, die Werte nicht als starre Vorgabe, sondern als Leitplanken und Identifikation zu vermitteln. Im globalen Werteprozess wurden die unterschiedlichen landesspezifischen Ausprägungen und Besonderheiten gezielt mitgedacht. So entstand weniger ein von oben herab diktierter Katalog, sondern ein Mindestmaß an gemeinsamer Basis, die von allen mitgetragen und individuell interpretiert werden konnte.

Gerade in einem so speziellen Feld wie Hormonen, Menopause, Andrologie oder auch Kinderwunsch ist laut André die emotionale Komponente besonders wichtig. Die Verantwortung, als Unternehmen auch gesellschaftlichen Diskurs und Aufklärung rund um Hormonthemen mitzugestalten, fließt als Wert „Leidenschaft“ direkt zurück in die Unternehmenskultur. Das Bewusstsein, Pionierarbeit zu leisten, fördere zugleich Innovationskraft und Identifikation der Teams.

Der Werteprozess: Von zentral entwickelt, aber lokal zum Leben erweckt

Die Werte als „Produkt“ sind das eine – dass sie im Alltag gelebt werden, das andere. Diese Kluft thematisiert Georg explizit: Werte sind nur dann wirksam, wenn sie mit Inhalt und eigenem Sinn gefüllt werden. Zu oft bleibt ein Werteprozess an der Oberfläche, wenn nach der Entwicklung hübsche Plakate aufgehängt werden, die aber mit der gelebten Realität nicht übereinstimmen. Dies zu vermeiden, war bei Besins ein zentrales Anliegen.

Jennifer berichtet, dass sie als neu hinzugekommene Personalentwicklerin zunächst recherchierte, wie die Werte entstanden sind, wie die Entscheidungswege waren und welche Story hinter jedem Begriff steht. Dieses Wissen wurde bewusst in die Workshops und Diskurse integriert: Nicht nur wurde jeder Wert vorgestellt, sondern auch seine Herkunft beleuchtet und kritisch diskutiert. Dadurch entstand Verständnis und Akzeptanz.

Mit den Tools und Methoden der Culturizer-Plattform wurde dieser Diskurs systematisch gefördert. Ein zentrales Workshop-Element war, dass alle Teammitglieder ihre persönliche Beziehung zu den Werten reflektierten: Was bedeutet der jeweilige Wert für mich? Wo erkenne ich ihn im Arbeitsalltag? Welche Verhaltensweisen stehen dahinter? Durch diese individuellen und gemeinsamen Reflexionen wurde die Wertebasis ins Team getragen und als Handlungsmaxime greifbar gemacht.

Change, Beteiligung und Offenheit

Die offene Auseinandersetzung war für Jennifer der Schlüssel, die Werte zu verankern. Nicht alle waren von Anfang an begeistert oder hatten Zeit für zusätzliche Workshops angesichts hoher Arbeitsbelastung – aber gerade im gemeinsamen, manchmal auch kritischen Diskurs entstanden die individuell passenden Wege, die Werte im Team zu leben. Über „Culture Hacks“ wurden konkrete Maßnahmen erarbeitet, wie man jeden Wert sichtbarer und spürbarer machen kann.

André beschreibt, dass er trotz grundsätzlicher Unterstützung zunächst auch skeptisch war: Unternehmenswerte können leicht zur reinen Kosmetik werden, wenn sie nicht in Prozesse und Führungshandeln integriert werden. Für ihn ist gelebtes Empowerment entscheidend – die Bereitschaft, Verantwortung abzugeben, den Teams zu vertrauen und Fehler als Lernchance zu akzeptieren. Genau das wurde im Prozess gezielt gefördert.

Darüber hinaus wurde der Werteprozess nicht nur im Rahmen von Workshops „abgearbeitet“, sondern auch durch begleitende Maßnahmen wie Events, Motto-Tagungen („gemeinsam geht’s besser“, „aufgeschlossen“ etc.), Kommunikationsmaßnahmen (z.B. Wertetassen in der Teeküche) und gezielte teamübergreifende Aktivitäten im Arbeitsalltag – zum Beispiel spielerische Challenges während Betriebsveranstaltungen.

Werte im Führungsalltag: Vorleben, vertrauen, challengen

Die Rolle der Führungskräfte war im Prozess wiederholt Thema. Werte können nicht einfach eingeführt und erwartet werden, dass sie sich von allein durchsetzen. Vielmehr braucht es Überzeugung, Reflexion und unternehmerische Klarheit darüber, wie die Werte im Zusammenspiel mit Führung, Strategie und Arbeitsalltag wirken.

Georg betont mehrfach die Bedeutung von Verbindlichkeit: Ob ein Werteprozess Erfolg hat, entscheidet sich daran, wie ernsthaft und konsequent das „Wie machen wir es“ getrieben wird (und eben nicht das „Ob wir es machen“). Führungskräfte müssen Werte nicht nur vorleben, sondern auch gezielt besprechbar und reflektierbar machen – in Workshops, Meetings, Prozessen, Kommunikation. In der Folge schildert André sehr anschaulich seinen persönlichen Führungsstil: Zuhören, loslassen, zulassen von eigenen Fehlern und alternative Lösungswege (selbst wenn er einen eigenen – potenziell besseren – Vorschlag parat hätte).

Gleichzeitig macht André klar, dass ein Werteprozess keine einmalige Kampagne ist. Vielmehr braucht es Disziplin, Konsistenz und ein „Dranbleiben“ im Führungsalltag: Werte müssen immer wieder thematisiert, beispielsweise zur Begründung von Entscheidungen herangezogen werden. Nur so werden sie Teil der gelebten Unternehmenskultur.

Ein besonderes Augenmerk lag auf psychologischer Sicherheit und Fehlerkultur: Durch Vorleben von „Vertrauenswürdigkeit“ als einen zentralen Wert und den bewussten Umgang mit Fehlern als Lerngelegenheiten, entsteht Raum für Innovation, Eigeninitiative und Verantwortungsübernahme. Für Jennifer ist das eine Kulturtransformation, die sie vergleichbar auch in anderen Unternehmen erlebt hat – bei Besins aber besonders konsequent und positiv.

Konkrete Umsetzungsbeispiele: Artefakte und Rituale

Jennifer bringt viele konkrete Beispiele, wie der Werteprozess mit Leben gefüllt wurde:

  • Tagungen und Events: Jede große Teamtagung stand unter dem Motto eines bestimmten Wertes (z.B. „gemeinsam geht’s besser“). In verbundenen Teambuilding-Challenges wurden die Werte spielerisch erlebbar gemacht, beispielsweise in Aufgabenstellungen, die Fürsorge, unternehmerisches Denken und Aufgeschlossenheit förderten.
  • Kultur-Hacks: In Workshops wurde reflektiert, wie die einzelnen Werte im Arbeitsalltag sichtbar werden und was konkret getan werden kann, um Defizite abzubauen beziehungsweise positive Verhaltensweisen und Routinen zu stärken.
  • Visuelle Präsenz: Werte-Tassen in der Teeküche oder Leitsätze in der internen und externen Kommunikation sorgten für tägliche Erinnerungen an die gemeinsamen Prinzipien.
  • Onboarding: Jeder neue Mitarbeitende wird im Rahmen des Onboarding-Prozesses gezielt über Ursprung, Sinn und Anwendung der Werte informiert und eingeladen, eigene Erfahrungen und Erwartungen einzubringen.
  • Führungspraxis: Werte werden kontinuierlich in Entscheidungsprozesse und Diskussionen einbezogen. Beispielsweise wird in Meetings explizit hinterfragt, wie unternehmerisch gedacht und gehandelt wird oder wie Vertrauen und Fürsorge im Miteinander gelebt werden.

Diskussion zur Nachhaltigkeit und zur Rolle von HR

Ein wiederkehrender Gedanke ist die Frage nach Nachhaltigkeit: Werte lassen sich nur dann dauerhaft verankern, wenn sie systematisch in Prozesse, Onboarding, Führung und Personalentwicklung eingebunden und regelmäßig neu reflektiert werden. Jennifer sieht darin auch ihre zentrale Aufgabe als L&D-Managerin, in engem Schulterschluss mit der Geschäftsführung, die Werte als Basis für alle weiteren Kompetenzen und Entwicklungen zu nutzen.

Eng damit verwoben ist auch die Rolle von HR: Während Personalerinnen und Personaler Werteprozesse oft initiieren und gestalten, liegt die eigentliche „Macht“ zur dauerhaften Implementierung und Verbindlichkeit bei der Führungsriege. André macht deutlich, dass für ihn das Thema Mitarbeiterentwicklung „heiliger Gral“ ist: Er sieht deren Förderung und die Investition in Potenziale als zentrale unternehmerische Verantwortung – und Werte als tragende Basis für alle personal- und unternehmensstrategischen Initiativen, wie etwa das neue Talent Management.

Messbarkeit und Ergebnisse – die Frage nach dem Impact

Georg schwenkt das Gespräch gezielt in Richtung Wirkung und Messbarkeit: Wie lässt sich überhaupt belegen, ob der Werteprozess Erfolg hat? Jennifer kann stolz berichten, dass eine weltweite Mitarbeiterumfrage wenige Monate nach Abschluss des Hauptprozesses knapp 90% Zustimmung dafür ergab, dass die Werte bekannt sind und mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmen. Ein solches Ergebnis ist keineswegs selbstverständlich und spricht für die Wirksamkeit des gewählten Ansatzes. Diese Messbarkeit gibt dem Prozess Legitimation und Energie: Sie belegt, dass es nicht nur um „good feeling“, sondern tatsächlich spürbare Veränderung und Identifikation geht – nicht nur in den Köpfen der Führung, sondern im gesamten Unternehmen.

Ausblick und nächste Schritte

Auch wenn die intensive Projektphase (Workshops, Events, erste Implementierung) abgeschlossen ist, liegt beiden der Fokus auf nachhaltiger Verstetigung: Werte sollen dauerhaft im Onboarding, in der Führungsentwicklung, im Talent Management und in aller weiteren Personal- und Organisationsentwicklung verankert bleiben.

Jennifer kündigt an, dass aktuell die nächste Stufe aufgesetzt wird: Aufbauend auf die Werte werden jetzt systematisch daraus abgeleitete Kompetenzen und Verhaltensanker entwickelt und kommuniziert. Ziel ist es, die Werte aus der Haltung noch gezielter in beobachtbare, messbare Verhaltensweisen zu überführen, die im Daily Business sowohl erwartet als auch gefördert und honoriert werden. Auch hier wird die Einbindung der Teams, offene Diskussionen und Adaptionsspielräume großgeschrieben.

Fazit und abschließende Reflexion

Die Podcastfolge zeichnet – ohne zu idealisieren – nach, wie ein professionell aufgesetzter und durchgehaltener Werteprozess ein Unternehmen nachhaltig prägen und transformieren kann. Erfolgsfaktoren sind unter anderem:

  • Partizipativer Entwicklungsprozess und Verbindung zu persönlichen wie unternehmerischen Geschichten („Story behind the value“)
  • Intensive und ehrliche Auseinandersetzung mit Bedeutung und Herausforderungen der Werte im Arbeitsalltag
  • Integration in alle Ebenen und Bereiche (Führung, Teams, Personalprozesse, Events, Kommunikation)
  • Konsequentes Dranbleiben und Weiterentwickeln – Werte als „lebender“, nicht statischer Bauplan
  • Ehrliche Messbarkeit und gezielte Reflexion der Fortschritte und Wirkungen
  • Klare Rollen und Verbindlichkeit – der Werteprozess ist Chefsache und gesamtunternehmerische Aufgabe, nicht „nur“ ein HR-Instrument

André und Jennifer bringen am Ende ihre eigene Begeisterung und den „Spirit“ innerhalb der Besins Healthcare zum Ausdruck, der sich seit dem Start des Werteprozesses spürbar verändert habe. Sie sind sich einig, dass Werte, Leitsätze und kulturelle Verankerung nicht die „neue Mode“ sind, sondern tatsächlich zukunftsentscheidend für Unternehmen, die in einem volatilen, umkämpften Markt langfristig bestehen und wachsen wollen.

Georg bleibt begeistert und gibt den Gästen das positive Feedback, dass sie (und Besins Healthcare) aus seiner Sicht ein „leuchtendes Beispiel“ für zeitgemäße Wertearbeit sind.

 

Kernbotschaften und Learnings aus der Podcast-Folge

  1. Werteprozesse sind erfolgreich, wenn sie systematisch entwickelt, partizipativ gestaltet und in allen Unternehmensdimensionen verankert werden.
  2. Kultur ist Chefsache, aber auch Teamarbeit: Die Mischung aus konsequenter Führungsunterstützung (CEO, Management) und Empowerment der Teams ist entscheidend.
  3. Erfolg entsteht nicht durch einmalige Events, sondern durch „dranbleiben“, durch Integration in Prozesse, Onboarding, Rituale und Führungshandeln.
  4. Messbarkeit ist möglich und wichtig: Regelmäßige Umfragen und sichtbare Erfolge stärken Legitimität und Motivation.

Werte sind nie statisch: Sie dürfen/können/müssen sich weiterentwickeln – wichtig ist die regelmäßige Reflexion und (Weiter-)Entwicklung zur Sicherstellung ihrer Relevanz.