Über Sören Weiss

Senior Talent Acquisition Leader mit über 8 Jahren Erfahrung in der Skalierung von schnell wachsenden Technologieunternehmen. Derzeit verantwortlich für die Rekrutierung in den Bereichen Sales, Deployment, Operations & Tech Operations bei Doctolib. Zuvor Aufbau und Steuerung von Talent- Akquisitions-Strategien für Nordeuropa bei Gympass. Nachweisliche Expertise in Teamentwicklung, strategischem Recruiting und Employer Branding, mit einer starken Grundlage in Vertrieb und Sportmanagement. Erfolgreiche Entwicklung von Talentstrategien für internationale Märkte, insbesondere in den Bereichen Gesundheitstechnologie und Wellness.

Über die Episode

In dieser spannenden CULTiTALK-Episode begrüßt Host Georg Wolfgang den Senior Manager Talent Acquisition von Doctolib, Sören Weiss. Gemeinsam tauchen sie tief ein in die Fragen rund um modernes Recruiting, Unternehmenskultur und die Rolle von Talent Acquisition in einem schnell wachsenden, digitalen Unternehmen. Im Zentrum steht dabei die Erkenntnis: Recruiter sind heute weit mehr als Lebenslauf-Verwalter – sie sind strategische Partner, Kulturgestalter und Wegbereiter für Unternehmenswachstum.

Der Karriereweg von Sören Weiss: Kein linearer Pfad, aber mit viel Drive

Sören Weiss erzählt offen und inspirierend von seinem Weg – von einem Hauptschulabschluss, über verschiedene Schulabschlüsse und ein Studium im Sportmanagement, bis hin zu spannenden Stationen bei Sport5, dem Olympiastützpunkt in Tauberbischofsheim, und später bei Wellhub/Trimpass, bevor er seine Leidenschaft für Recruiting bei Doctolib entdeckte. Dabei betont er, wie wichtig es ist, sich selbst immer wieder herauszufordern: Rückblickend wäre er anfangs oft „faul“ gewesen, aber der Wille zur Weiterentwicklung und Disziplin habe ihn letztlich dorthin gebracht, wo er heute steht.

Gerade dieser unkonventionelle Lebenslauf macht Sören, wie Georg in der Episode hervorhebt, besonders sensitiv für verschiedene Biographien im Recruiting. Er weiß, dass Karrierewege selten linear verlaufen und wie stark Vorurteile oder „Biase“ – etwa aufgrund von Schulabschlüssen – noch heute Entscheidungen im Recruiting beeinflussen können. Sören versteht es, auf Lebensläufe mit mehr Tiefe zu schauen und Potenziale zu erkennen – eine essentielle Fähigkeit für moderne Talent Acquisition.

Doctolib: Vision, Purpose und das digitale Gesundheitssystem

Sören gibt einen umfassenden Einblick in die Entstehung und Entwicklung von Doctolib. Entstanden in Frankreich mit der Mission, Arzttermine online zugänglich zu machen, ist Doctolib heute in mehreren Ländern aktiv, unter anderem auch mit 800 Mitarbeitenden in Deutschland – weitaus mehr als viele NutzerInnen erwarten.

Doctolib bietet auf der einen Seite eine kostenlose Plattform für Patientinnen zur Terminvereinbarung, auf der anderen Seite Softwarelösungen für Praxen und Ärztinnen – darunter ein vollumfängliches Patient Relationship Management, digitale Praxisverwaltung, eine KI-gestützte Telefonassistenz und weitere Tools, um die Gesundheitsversorgung effizienter, digitaler und nutzerfreundlicher zu gestalten.

Aktuell steht Doctolib vor dem Rollout einer komplett neuen Praxissoftware in Deutschland, was für Sören und das gesamte Team ein massiver Meilenstein ist. Bemerkenswert: Das Unternehmen hat sich von der Startup-Phase über das Scale-up hin zu einer „fast schon Corporate“-Struktur entwickelt, möchte aber den Startup-Spirit, schnelle Entscheidungen und flache Hierarchien unbedingt beibehalten.

Recruiting als strategische Disziplin: Vom „Bewerbungsvorgehen“ zur echten Partnerschaft

Ein zentrales Thema der Folge ist der Wandel des Recruitings: Weg vom klassischen, transaktionalen Jobbesetzen – hin zur Rolle eines echten Strategic Talent Partners im Unternehmen. Das wird am Beispiel aus der eigenen Doctolib-Praxis greifbar: Sören schildert, wie das Talent Acquisition Team den Aufbau neuer Karrierepfade und Jobprofil-Ebenen im Sales-Bereich maßgeblich mitgestaltet hat. Statt nur Briefings entgegenzunehmen, nahmen sie Einfluss auf die strategische Ausrichtung, Jobtitel, Karriereschritte und die gesamte Struktur – und agierten somit als Sparringspartner und Influencer gegenüber der Geschäftsleitung.

Sören betont: Talent Acquisition ist längst keine rein ausführende HR-Disziplin mehr. Durch den engen Kontakt mit dem Talentmarkt, tiefes Verständnis für Trends sowie Feedback aus zahlreichen Gesprächen, sitzen Recruiter heute in einer Schlüsselrolle am Entscheidungstisch – und beeinflussen damit Wachstum und Erfolg des gesamten Unternehmens.

Unternehmenskultur: Purpose, Offenheit und Ehrlichkeit – mehr als nur ein Employer Brand

Besonders beeindruckend ist, welches Gewicht Doctolib auf die eigene Unternehmenskultur legt – und wie konsequent das Team dieses Ideal lebt. Hier ist Machtdistanz auf ein Minimum reduziert: Kommunikation auf Augenhöhe via Slack vom Empfang bis zum Managing Director, monatliche „Open Hours“, in denen alle relevanten Führungskräfte live und ungefiltert Fragen aus dem Team beantworten, sowie regelmäßige Townhalls und Feste sorgen für eine Atmosphäre der Offenheit und Nahbarkeit.

In diesem Umfeld kann wirklich jede*r Ideen einbringen, Feedback geben und aktiv mitgestalten. Es herrscht ein Klima, das von Kompetenz, Vertrauen, konstruktivem Sparring und echter Leidenschaft geprägt ist – nicht durch Positionsmacht. Sören beschreibt beispielhaft, wie interdisziplinär Themen angegangen werden und selbst an der Kaffeemaschine Austausch auf Augenhöhe stattfindet. Kritik und Impulse aus allen Richtungen werden ernst genommen und fließen in die Weiterentwicklung der Firma ein.

Trotzdem bleibt klar: Nicht jede Entscheidung wird basisdemokratisch getroffen – gewisse Themen müssen nachvollziehbar „top down“ entschieden werden, aber das Team lebt eine dynamische Balance aus Führung und Mitgestaltung.

Erwartungen an Unternehmenskultur 2025: Authenticity & Ehrlichkeit

Was erwarten Talente heute – und wie darauf reagieren? Gerade in einem Unternehmen wie Doctolib ist Unternehmenskultur kein Luxus, sondern essentieller Differenzierungsfaktor. Die Bewerbenden kommen oft wegen des klaren Purpose und des spürbaren Impacts; sie erwarten aber auch Transparenz und Ehrlichkeit, auch wenn ein Job tough ist oder noch Prozesse im Wandel sind.

Sören macht deutlich – und das ist als Empfehlung an alle Unternehmen zu verstehen: Wer versucht, eine „künstlich schöne“ Employer Brand zu verkaufen, verliert langfristig. Vielmehr gilt es authentisch zu kommunizieren, wo man steht und wohin man will. Das fängt an bei einer klaren Selbstdarstellung auf der Website und zieht sich durch Recruiting, Onboarding und tägliche Praxis. So finden sich die richtigen Talente, die wirklich langfristig bleiben und zur Kultur passen.

Praktisches aus den Arbeitsprozessen: Auswahl, Funnel und die Rolle des Bias

Die Zahlen sprechen für sich: Über 8.000 Bewerbungen gingen dieses Jahr bislang allein in Deutschland ein – dazu rund 5.000 über Active Search. Das Auswahlverfahren ist daher hochgradig selektiv – und das Team achtet bewusst darauf, sich nicht von unbewussten Vorurteilen leiten zu lassen. Sören berichtet, dass die erfolgreichsten Sales-Mitarbeitenden selten den „perfekten“ linearen Lebenslauf mitbringen: Oft sind es Quereinsteiger*innen aus Hotellerie, Gastgewerbe oder ganz anderen Branchen, die mit ihren Soft Skills überzeugen.

Wesentlicher Bestandteil: Das Recruiting arbeitet eng mit den Hiring Managern zusammen, gibt gezielt Markt-Insights und hilft, unrealistische Vorstellungen zu erkennen. Über gezielte Trainings („Hiring Champion Programm“) lernen Führungskräfte nicht nur effektiv zu interviewen, sondern bekommen auch vermittelt, wie sie Jobprofile & Anforderungen realistisch definieren. Gleichzeitig ist Recruiting als Gatekeeper für die Unternehmenskultur extrem wichtig: Jede Entscheidung, ob Kandidat*in weiterkommt oder nicht, formt letztlich das Team und die Kultur.

Leadership & Weiterentwicklung: Führung als Profession

Die Kultur bei Doctolib fördert gezielt die Entwicklung von Führungskräften durch zahlreiche Trainingsprogramme und ein ausgeprägtes Mindset: Führung ist hier nicht auf Positionsmacht reduziert, sondern wird als eigenständige Profession gesehen. Nicht jede*r ist als Managerin geeignet – Individual Contributors sind ebenso wertvoll und werden gezielt gefördert. Sören schildert, dass viele seiner Teammitglieder mittlerweile Interview-Prozesse besser beherrschen als er selbst – und er das nicht als Kontrollverlust, sondern als größten Erfolg und Teil guter Leadership versteht. Ziel ist es, dass Führung weniger über Macht, sondern über Coaching, Austausch und stetige Weiterentwicklung funktioniert.

Fazit: Über die Rolle von Talent Acquisition in der Zukunft

Zum Abschluss ziehen Georg und Sören ein klares Fazit. Talent Acquisition ist längst keine Backoffice-Funktion mehr, sondern zentraler, strategischer Faktor für Erfolg, Kultur und Entwicklung eines Unternehmens. Es geht um weit mehr als Fachkräfte zu finden: Es geht darum, Unternehmen von innen heraus zu gestalten, relevante Markteinflüsse ins Unternehmen zu bringen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Purpose, Offenheit, Entwicklung und Performance in Einklang stehen.

Doctolib ist hier ein Best-Practice-Beispiel dafür, wie moderne Recruiting- und Unternehmenskultur aussehen kann – und warum dies in times of talent-driven markets so eminent erfolgskritisch ist.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ungewöhnliche Karrierewege sind von Vorteil – Vielfalt zählt mehr als perfekte Lebensläufe.
  • Talent Acquisition ist strategischer Partner und kein reiner HR-Dienstleister.
  • Unternehmenskultur muss erlebbar, offen und authentisch sein – Employer Branding allein reicht nicht.
  • Ehrlichkeit und Offenheit im Prozess sorgen für nachhaltigere Einstellungen.
  • Jedes Unternehmen, nicht nur Startups, kann Schritt für Schritt zu mehr strategischer HR und besserer Kultur finden – entscheidend ist das Selbstverständnis und der Mut, Dinge weiterzuentwickeln.

 

Neugierig geworden? Hör dir die Folge an – das Gespräch steckt voller praktischer Insights für alle, die Recruiting und Kultur neu denken wollen!