Über Lena Pieper

Lena Pieper ist Gründerin und Geschäftsführerin von UPYU (vormals FreeMOM), der Plattform für familienfreundliches und freies Arbeiten. Mit ihrem Unternehmen setzt sie sich dafür ein, Arbeitskräftepotenziale sichtbar zu machen, die in klassischen Modellen oft verloren gehen – insbesondere bei Eltern und Pflegenden. Gemeinsam mit ihrer Mitgründerin Anika Schmidt hat sie eine Lösung geschaffen, die Freelancing und flexible Festanstellungen vereint – immer mit dem Ziel, Unternehmen familienfreundlicher zu machen und Menschen echte Wahlfreiheit und Flexibilität zu geben. Lena steht für New Work mit Haltung: Vereinbarkeit, Flexibilität und wirtschaftliche Wirkung schließen sich für sie nicht aus – sie gehören zusammen. Sie engagiert sich außerdem politisch in der Kommunalpolitik i und auf Bundesebene über den Bitkom, um Rahmenbedingungen für moderne, inklusive Arbeitsmodelle mitzugestalten.

Über die Episode

In dieser spannenden CULTiTALK-Episode spricht Host Georg Wolfgang mit Lena Pieper, der Co-Gründerin von UPYU und Free Mom, über das hochaktuelle Thema Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Care-Arbeit. Lena bringt eine beeindruckende Mischung aus persönlicher Erfahrung, unternehmerischer Mission und gesellschaftlicher Analyse mit ins Gespräch – und liefert dabei jede Menge Denkanstöße und praktische Impulse für Unternehmen, Führungskräfte sowie betroffene Eltern.

Gleich zu Beginn stellt sich Lena persönlich vor: Sie ist 42 Jahre alt, lebt in der Nähe von Bonn und hat ihr ganzes Berufsleben im HR-Bereich verbracht – mit Stationen in Recruiting, Personalentwicklung und zuletzt als Head of HR in einem von einem Großkonzern übernommenen Unternehmen. Mit der Geburt ihrer Tochter verändert sich ihre Lebensrealität: Nach der Elternzeit wollte sie in Teilzeit wieder zurückkehren, wurde aber mit einer anderen Rolle ohne Führungsverantwortung „abgespeist“ – ein Erlebnis, das sie zum Nachdenken brachte und letztlich den Ausschlag für ihren Weg in die Selbstständigkeit gab. Als Freelancerin erlebt sie zum ersten Mal, was echte Flexibilität im Beruf bedeutet und sieht das Potenzial, das Unternehmen in dieser Arbeitsform bisher oft übersehen.

Von der persönlichen Erfahrung zur Unternehmensgründung

Gemeinsam mit Annika, ihrer langjährigen Freundin und Kollegin, die ähnliche Erfahrungen gemacht hat, entschließt sich Lena aktiv etwas zu verändern: Anstatt nur als Beraterinnen zu agieren, wollen sie eine konkrete Lösung bieten – und starten Free Mom, eine Freelancing-Plattform speziell für Mütter. Auf dieser werden Mütter adressiert, die Schwierigkeiten haben, nach der Elternzeit zurück in den Job zu kommen oder keinen passenden Job finden. Die Botschaft: Als Freelancerin kannst du maximal flexibel auf deinem qualifizierten Skill-Level arbeiten und deine berufliche Identität behalten.

Gleichzeitig richtet sich die Plattform auch direkt an Unternehmen: Bei steigendem Fachkräftemangel und in angespannten wirtschaftlichen Zeiten können Firmen auf Freelancerinnen zurückgreifen und so auf einen Pool hochqualifizierter, motivierter Talente zugreifen, die sie auf traditionellem Weg kaum erreichen würden.

Der Start von Free Mom – und das Abenteuer „Höhle der Löwen“

Lena und Annika launchen Free Mom am Muttertag 2023, der zufällig auch Tag des Freelancers ist – ein symbolischer Doppelschlag, der wie vom Universum orchestriert scheint. Die Idee schlägt ein: Die Resonanz bei Working Moms ist riesig, schnell entsteht rund um die Plattform eine lebendige Community. Bei den Unternehmen ist die Akzeptanz hingegen zunächst zurückhaltender; kleinere Unternehmen und Führungskräfte, die selbst Eltern sind, zeigen am ehesten Offenheit.

Ein besonderer Meilenstein ist die Teilnahme bei „Höhle der Löwen“. Der Pitch geht zwar zunächst als Bewerbung eher „zweifelnd“ los, doch es wird ernst: Lena und Annika sind eingeladen, stehen nach Interviews und Pitch-Übungen schließlich vor den Investoren. In einer intensiven, eineinhalb Stunden langen Fragerunde erleben sie nicht nur enorme Nervosität, sondern auch, wie sehr ihr Thema bewegt – und dass es nicht mehr darum geht, ob, sondern wie Vereinbarkeit möglich ist. Am Ende investiert Tijen Onaran, eine der führenden Stimmen für Diversity und Female Empowerment in Deutschland, in Free Mom. Mit ihr und ihrem Netzwerk erhält das Startup einen enormen Boost, sowohl in Sachen Sichtbarkeit als auch Expertise.

Vereinbarkeit ist Wirtschaftsfaktor und Kulturfrage

Im weiteren Gespräch wird deutlich, dass Vereinbarkeit weit mehr ist als ein „Nice-to-have“. Sowohl Georg als auch Lena beleuchten, warum das Thema noch immer so einen schweren Stand in Deutschland hat, obwohl es doch alle „Better Work“-Trends wie New Work, Flexibilisierung und Digitalisierung gibt.

Lena bringt eine zentrale These: Der größte Veränderungshebel liegt in den Unternehmen selbst – und vor allem in deren Kultur und Führungsstil. Strukturen, die auf Kontrolle, Sichtbarkeit und Präsenz bauen, verschließen sich oft den Potenzialen, die in flexiblen Arbeitsmodellen stecken. Vorbehalte gegenüber Eltern(-teilen) betreffen dabei besonders Mütter: Sie werden nach der Elternzeit oft „degradiert“, aus Karrierewegen herausgenommen oder als weniger verlässlich und produktiv angesehen. Was Lena aus ihrer Erfahrung als HRlerin berichtet, macht betroffen: Immer wieder sitzen Mütter weinend bei ihr im Büro und fragen sich, wie sie alles unter einen Hut bekommen sollen – und Führungskräfte sind oft komplett planlos, wie sie mit Teilzeit oder Care-Verantwortung umgehen sollen.

Es ist also nicht nur eine Frage von Politik und Rahmenbedingungen wie dem Arbeitszeitgesetz oder dem Thema Scheinselbstständigkeit. Es ist vor allem eine Frage der Haltung, Unternehmenskultur und gesellschaftlichen Blickwinkel. In Deutschland herrscht nach wie vor eine Mentalität, die Eltern – und besonders Müttern – mit Skepsis und viel zu wenig Wertschätzung begegnet, wie Lena mit Beispielen auch aus dem Ausland belegt.

Die Macht der Haltung und der Führung

Georg unterstreicht, dass unsere Arbeitswelt immer noch stark auf Anwesenheit und Zeit statt auf Kompetenz und Impact ausgerichtet ist. Das klassische Narrativ „Wer 40 Stunden oder mehr arbeitet, liefert die beste Performance“ widerspricht nicht nur den Bedürfnissen moderner Arbeitnehmer:innen und Care People, sondern ist auch ineffizient – gerade angesichts des Fachkräftemangels und steigendem Wettbewerbsdruck. Flexible Lösungen und eine tatsächliche Potentialentfaltung sind aus ökonomischer Sicht ein Wettbewerbsvorteil, nicht Altruismus.

Lena ergänzt: Unternehmen, die heute schon lebensphasenorientierte Personalpolitik betreiben – und das nicht nur als Diversity-Maßnahme, sondern als festen Bestandteil ihrer Strategie – profitieren davon. Das kann die ganz pragmatische Entscheidung sein, für die Elternzeit einen Freelancer/Wiedereinsteiger temporär einzusetzen und die Stelle danach wieder zu besetzen, ohne Brüche und ohne Headcount-Probleme. Und es kann bedeuten, dass Talente nicht verloren gehen und offene Stellen wirklich besetzt werden – und das rechnet sich.

Vereinbarkeit „rechnet sich“: Daten statt Bauchgefühl

Ein zentraler Punkt der CULTiTALK-Folge ist das Thema Zahlen und Fakten: Immer mehr setzt Lena, auch für ihre Kommunikation mit Unternehmen und HR-Entscheider:innen, bewusst auf handfeste Daten. Sie berechnet, was Unternehmen verlieren, wenn Care-Verantwortliche das Unternehmen verlassen, degradiert werden oder gar nicht erst in den Pool der Kandidat:innen kommen. Die These: Vereinbarkeit ist eben auch ein Wirtschaftsfaktor. Nur so – durch das Gespräch auf Augenhöhe auch mit CFOs – kann das Thema nicht nur als ethische Verantwortung, sondern als strategischer Erfolgsfaktor verstanden werden.

Unternehmenskultur am Wendepunkt – und die Rolle der Krise

Abschließend reflektieren Lena und Georg, wie die aktuellen Krisenjahre dieses Thema besonders deutlich machen: Viele Unternehmen, die in guten Zeiten in Diversity und Flexibilität investiert haben, stampfen diese Initiativen in der Krise als Erstes wieder ein – was zeigt, wie unehrlich und unverbindlich sie das Thema bislang umgesetzt haben. Die Verantwortung für Veränderung darf nicht allein auf Einzelne (Mütter, Väter, Care People) abgewälzt werden, sondern muss zentral beim Unternehmen und auch bei der Politik liegen.

Lena ist optimistisch: Gerade im zweiten Halbjahr 2024 beobachtete sie, dass Unternehmen aus der Schockstarre erwachen und wieder mehr investieren. Die wichtigste Erkenntnis: Wer jetzt Lösungen für lebensphasenorientierte Arbeit schafft, ist langfristig im Vorteil – und es ist Zeit, ins Machen zu kommen, anstatt nur zu diskutieren.

Fazit & Ausblick

Diese CULTiTALK-Folge ist ein leidenschaftlicher Appell für einen Systemwandel in der Arbeitswelt – weg von Kontrolle und Misstrauen, hin zu echter Potentialentfaltung, Flexibilität und Wertschätzung. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist kein Nice-to-have, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor, wirtschaftlich sinnvoll und gesellschaftlich überfällig. Lena Pieper und Georg Wolfgang machen Mut, sich nicht mit Lippenbekenntnissen zufrieden zu geben, sondern ins Handeln zu kommen, Fragen zu stellen, Strukturen zu hinterfragen und einfach zu machen.

Vielleicht hören wir diese Folge in ein paar Jahren nochmal und lachen darüber, dass das mal schwierig war – bis dahin bleibt es wichtig, immer weiter zu arbeiten und Unternehmen, Gesellschaft und Politik für das Thema zu sensibilisieren.

Alle Links zu Lena Pieper:

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/lena-pieper/

Unternehmen: www.upyu.de