Über Bettina Prange
Als CTO der DACH-Region bei Publicis Groupe verantwortet Bettina die bereichsübergreifende Entwicklung für rund 2.700 Mitarbeitende in den Bereichen Organisations- und Personalentwicklung, Recruiting, Kultur und Diversity. Unter ihrer Führung entstanden Initiativen wie workingwithcancer, Menolution und Pathfinder, die gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und Benefits neu definieren. Sie setzt sich für junge Frauen ein und gilt als Vorbild für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Mit ihren Partnern erhöhte sie den Anteil weiblicher Führungskräfte im Brandmanagement der Publicis Groupe Germany auf über 50%.
Über die Episode
In dieser außergewöhnlich offenen und sehr persönlichen Folge des CULTiTALK spricht Georg Wolfgang mit Bettina Prange, Chief Talent Officer der Publicis Groupe, über ihren beeindruckenden Karriereweg, ihre persönliche Haltung zum Talent Management und die Bedeutung zeitgemäßer Unternehmenskulturen. Beide nehmen sich viel Zeit, den Wandel in der Agenturwelt zu beleuchten, und zeigen an praktischen Beispielen, wie modernes HR-Management in einer globalen, divers aufgestellten Unternehmensgruppe funktioniert. Die Folge ist prallvoll mit ehrlichen Einblicken, reflektierten Überlegungen und jeder Menge Inspiration für alle, die nach Wegen suchen, Arbeitswelten nachhaltiger, menschlicher und leistungsfähiger zu gestalten.
Bettina wird von Georg Wolfgang herzlich begrüßt. Schon im Intro wird klar: hier treffen zwei Menschen aufeinander, die ohne Pathos und Business-Floskeln sprechen. Georg zitiert zu Beginn den Leitspruch aus Bettinas LinkedIn-Profil: „Paths are made by walking“. Dieser Satz zieht sich wie ein roter Faden durch die Episode und steht für Bettinas Ansatz, nicht auf der Stelle stehen zu bleiben, sondern laufend neue Wege zu finden, anzulegen und für andere begehbar zu machen.
Bettina berichtet aus ihrer Biografie, die alles andere als gradlinig ist. Ursprünglich wollte sie Ärztin werden, entschied sich dann aber nach mehreren Umwegen und Zweifeln für ein wirtschaftsnahes Studium in Stuttgart. Getrieben von der Neugier und dem Wunsch, schnell Verantwortung zu übernehmen und mit Menschen zu arbeiten, ging sie zunächst in eine größere Unternehmensberatung und fand schließlich in einer kleinen, kreativen Beratung ihren ersten richtigen beruflichen Heimathafen. Die Jahre in Barcelona – geprägt von Experimentierfreude und kreativen Unternehmungen – lassen durchscheinen, wie sehr Bettina von Internationalität, Wandel und Kreativität geprägt ist.
Im weiteren Verlauf ihres Weges begleitet Bettina mehrere Stationen in der Werbe- und Kommunikationsbranche, wobei es für sie immer entscheidend war, nah an den Mitarbeitenden zu sein, Strukturen zu analysieren und weiterzuentwickeln. Ihr Karriereweg ist geprägt von ebenso mutigen wie strategischen Entscheidungen, einem starken inneren Kompass und glaubwürdigen Vorbildern, besonders auch weiblichen.
Vom Consulting ins HR – und zur Chief Talent Officer
Der Wechsel vom Business Development in die Personalentwicklung war, so Bettina, zunächst eine Bauchentscheidung – aber wie so oft bei ihr mit maximaler Wirkung. Sie übernimmt nach und nach größere Teams, baut HR-Strukturen auf und entwickelt Regionen und Standorte weiter, zuletzt Serviceplan Hamburg mit 500 Mitarbeitenden. Die Anerkennung, die sie sowohl für ihre fachlichen Leistungen als auch für ihre empathische Führung erhält, überzeugt schließlich auch die Publicis Groupe, die sie 2021 als Chief Talent Officer für Deutschland und die Dachregion gewinnt.
Der Sprung zu einem Konzern mit über 2.700 Mitarbeitenden, mehreren Marken und komplexer internationaler Verflechtung fordert Bettina nochmal ganz neu heraus. Das Angebot, die Rolle völlig neu zu konzipieren und umfassend zu gestalten, reizt sie besonders: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragt sie – und geht.
Was bedeutet die Rolle Chief Talent Officer, und warum ist sie bei Publicis so wichtig?
Bettinas Rolle ist mehr als das klassische Verständnis von „Personalleitung“. Sie sitzt direkt im Managementcircel, berichtet an den CEO der Region EMEA und ist eng verdrahtet mit dem internationalen Talent Board. Bei Publicis ist das Thema „Talent“ sichtbar chef*innensache – das wird auch systematisch und mit klarer Verantwortung gelebt: Talentmanagement wird nicht an den CFO delegiert, sondern hat eigene, starke Repräsentanz und ein eigenständiges Mandat.
Diese strategische und explizit gestaltende Rolle zeigt sich auch in Bettinas Haltung und im Umgang mit Macht. Sie beschreibt einen Ansatz, der nicht auf Durchsetzen um jeden Preis abzielt, sondern auf das Überzeugen durch Expertise, Integrationskraft und ein tiefes, respektvolles Verständnis für die Unterschiedlichkeit der Agenturen und Menschen. Die Episode ist gespickt mit Diskussionen über das richtige Maß von Steuerung vs. Freiheit, Positionsmacht vs. Netzwerk, und den berühmten Balanceakt zwischen Akzeptanz und notwendiger strategischer Steuerung.
Der Wandel der Agenturwelt: Von „Work hard, play hard“ zur nachhaltigen Kultur
Georg und Bettina reflektieren gemeinsam über den Wandel der Arbeitskultur in der Agenturlandschaft. Die „Hustle-Culture“ früherer Jahre – geprägt von Endlos-Arbeitszeiten und Partyexzessen – ist (zumindest teilweise) passé. Heute stehen Themen wie Nachhaltigkeit der Arbeitswelt, Gesundheit, Inklusion und psychische Sicherheit im Fokus. Bettina beschreibt, wie komplex es geworden ist, auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen, die Bandbreite der Erwartungen an Karrieren, Working-Life-Balance, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und Umgang mit neuen Technologien wie KI.
Dabei betont sie auch die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen und die verschärfte Rolle von HR als zentraler Enabler. Sie berichtet aus der Praxis: Überstundenregelungen, enge Zusammenarbeit mit Betriebsräten, moderne Arbeitszeitmodelle – und der Spagat, einerseits Hochleistung zu ermöglichen und andererseits Überlastung und Ausbeutung zu verhindern. Besonders eindrücklich ist dabei ihr offener Umgang mit eigenen Grenzen und das Nachdenken darüber, wie Führung darauf achten muss, Mitarbeitende nicht zu verheizen.
Netzwerk und Haltung: HR als Moderierende statt als Befehlsempfänger
Ein zentrales Motiv in Bettinas Führung ist der Netzwerkgedanke: Sie sieht sich und das zentrale HR-Team als Enabler, nicht als klassische Steuerungsinstanz von oben. Ihr Bild: Das Organigramm müsste eigentlich auf den Kopf gestellt werden. Das Ziel: Nicht jeder Agentur Bereich muss dasselbe machen, vieles wird gemeinsam gedacht, aber individuell umgesetzt. Sie spricht offen darüber, dass dies ein Prozess war, der Zeit, Vertrauen und einige Konflikte gebraucht hat.
Die Bedeutung von Haltung wird mehrfach betont: Initiativen und Entscheidungen sollen auf einer Überzeugung basieren und nicht auf kurzfristigen Trends oder Shareholder Value. HR muss mutig sein, nicht nur auf Gefallen und kurzfristigen Applaus setzen, sondern an wichtigen Themen – auch gegen Widerstände – festhalten.
Initiativen mit gesellschaftlicher Wirkung
Bettina stellt mit viel Engagement verschiedene Initiativen vor, die in ihrer Verantwortung liegen und die weit über klassische HR-Themen hinausgehen.
Working with Cancer
Auslöser für diese weltweite Initiative ist die eigene Krebserkrankung des globalen CEOs der Publicis Groupe. Die Offenheit, mit der dieses Thema nach innen und außen adressiert wird, markiert einen Paradigmenwechsel: Arbeitswelt muss (wieder) menschlicher werden. Bettina berichtet, wie Working with Cancer entstanden ist, wie die Initiative dazu beiträgt, dass Betroffene offen mit der Erkrankung umgehen können, wie Gehaltssicherung in der Genesungszeit funktioniert und wie Netzwerke von Beratenden, Coaches und medizinischen Expert*innen aufgebaut wurden. Besonders bewegend: Publicis ruft Kunden und andere Unternehmen auf, das Engagement zu teilen und zu einem gesellschaftlichen Standard zu machen. Weltweit sind inzwischen Tausende Unternehmen beteiligt.
Die Wirkung: Das Tabu rund um schwere Erkrankungen wird gebrochen. Mitarbeitende erleben echte Unterstützung. Führungskräfte erleben, wie Benefit-Programme zum sozio-kulturellen Kitt führen können. Die Initiative hat auch in Deutschland viele Nachahmer gefunden und wird beharrlich weitergetrieben.
Menolution
Mit der Initiative „Menolution“ schafft Publicis als eine der ersten Kommunikationsgruppen ein Programm für Mitarbeitende, die sich in den Wechseljahren befinden. Thema: Aufklärung, Enttabuisierung, Zugang zu Beratungsangeboten und flexible Arbeitsgestaltung. Bettina teilt offen auch ihre eigenen Erfahrungen als Frau in den Wechseljahren und spricht darüber, wie Wechseljahrs-Symptome Karrieren beeinflussen und wie viele Frauen durch mangelnde Unterstützung ausgebremst werden. Das Programm – von Kick-Off-Veranstaltungen über Experten-Inputs bis hin zu konkreten Anpassungen im Arbeitsalltag – stößt anfangs intern auf Skepsis, überzeugt aber durch offene Kommunikation, starke Netzwerke und zahlreiche positives Feedback von Betroffenen wie von männlichen Kollegen.
Pathfinder (Mentoring & Empowerment)
Ein weiteres Herzensprojekt ist das „Pathfinder“-Programm: Ein Mentoring-Programm, ursprünglich für weibliche Führungstalente ins Leben gerufen, das gezielt den eigenen Karriereweg („den Pfad“) ins Zentrum stellt. Ziel ist es, insbesondere Frauen, aber künftig alle Geschlechter, in ihrer Entwicklung zu begleiten, sichtbarer zu machen und Hindernisse im System abzubauen. Pathfinder wird sukzessive ausgeweitet und hat bereits viele Erfolgsgeschichten in der ersten Kohorte hervorgebracht.
Weitere Initiativen & Haltungsthemen
Daneben gibt es flexible Arbeitszeitmodelle, Screening-Time-Off zur Gesundheitsvorsorge, Programme rund um Wellbeing, Diversität und globale Talententwicklung. Publicis ist ein internationales Netzwerk mit klaren eigenen Standards und einer starken Diversity-Agenda (u.a. Zielerreichung 45% Frauenanteil in Führung weltweit). Viele Initiativen entstehen dezentral und werden global – ein Beispiel dafür, wie Kulturwandel auch in großen Organisationen gelingen kann.
Female Leadership, Vorbilder und Empowerment
Bettina reflektiert immer wieder ihre Rolle als Frau in Führungspositionen. Sie beschreibt, wie sehr weibliche Vorbilder fehlen, warum sie ihre Tochter bewusst mit zu Veranstaltungen nimmt und wie gefährlich die Vorstellung ist, dass das Patriarchat schon überwunden sei. Über 58% Frauenanteil in Führungspositionen bei Publicis zeigen: Es geht – aber nicht ohne bewusste Anstrengung, beharrlichen Einsatz auf allen Ebenen und solide Unterstützung durch das (männliche wie weibliche) Top-Management.
Besonders eindrucksvoll: Es geht ihr nicht um Symbolpolitik, sondern um nachhaltige Wirkung. Leadership bedeutet für sie: Die Strukturen und Wege so zu gestalten, dass sie auch ohne die eigene Person weiter funktionieren, dass Teams wachsen und eigene Akzente setzen können. Empowerment ist kein Modewort, sondern muss systematisch ermöglicht, gefördert und verteidigt werden.
Herausforderungen und der Blick nach vorne
Das Gespräch ist keine reine Feel-Good-Story. Es geht um harte Arbeit, schwierige Entscheidungen, enttäuschte Erwartungen, skeptische Stimmen – intern wie extern. Bettina verschweigt nicht, dass es mühsam ist, Machtverhältnisse in Richtung Netzwerke zu verschieben, dass das Gleichgewicht von individueller Freiheit und unternehmerischer Strategie immer wieder neu verhandelt werden muss, und dass gesellschaftliche Rückschritte (z.B. roll-back bei Diversität, Leistungsdebatten) eine echte Bedrohung sind, der man aktiv begegnen muss.
Umso entschlossener ist ihr Fazit: „Jetzt erst recht.“ Gerade in Zeiten, in denen in Teilen der Welt gegen Diversity und Gleichberechtigung agitiert wird, braucht es Unternehmen und Führungskräfte mit echter Haltung, die an langfristiger Wirksamkeit und gesellschaftlichem Fortschritt arbeiten – auch wenn es unbequem ist.
Fazit: Eine Folge voller Inspiration, Tiefe und Praxis
Diese CULTiTALK-Folge ist mehr als ein Karriereporträt: Sie ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine neue Führungskultur, für das Bewusstsein um Diversität, Gesundheit und gesellschaftliche Verantwortung, für Netzwerke statt Silos und für einen nachhaltigen Impact in der Arbeitswelt. Bettina Prange steht exemplarisch für die neue Generation von HR-Führungskräften, die umfassend denken, konsequent handeln und sich nicht scheuen, unbequeme Themen auf die Agenda zu setzen.
Wer wissen möchte, wie Kulturwandel in großen Unternehmen wirklich geht, wie Female Empowerment und echte Inklusion gelingt und warum Haltung kein Luxus, sondern Überlebensstrategie ist, wird in dieser Folge auf höchstem Niveau informiert, inspiriert und – nicht zuletzt – auch emotional berührt.
Unbedingt hören und weiterempfehlen!
Alle Links zu Bettina Prange:
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/bettinaprange/
Unternehmen: http://www.publicisgroupe.com