Über Elisabeth Krista

Beziehungsorientierte Kommunikation heißt für die Psychologin und Pädagogin Elisabeth Krista: Menschen auf Augenhöhe zu begegnen – mit Klarheit, Respekt und echtem Interesse. In ihrer Arbeit als Trainerin für erfahrungsorientierte Entwicklungsberatung verbindet sie psychologisches Wissen mit praktischer Anwendung. Es geht nicht nur um Tools und Methoden, sondern darum, diese erlebbar zu machen – durch Ausprobieren, Reflektieren und konkrete Erfahrungen, die den Alltag nachhaltig verändern.

Über die Episode

Diese Folge dreht sich um das Thema „Positive Disziplin“ – ein Konzept, das Elisabeth als Psychologin, Trainerin und ehemalige Bereichsleitung im Kita-Bereich im deutschsprachigen Raum bekannter machen will. Im Gespräch werden neben fachlichen Hintergründen zahlreiche praktische Beispiele, gesellschaftliche und psychologische Zusammenhänge sowie auch der Transfer zu Unternehmenskulturen lebendig diskutiert.

Georg begrüßt seine Gästin Elisabeth, die aktuell in Berlin lebt, aber ursprünglich aus Tirol stammt. Schon hier wird ein entspannter, humorvoller und persönlicher Ton angeschlagen. Elisabeth erzählt, dass sie nach ihrer Ausbildung zur Kindergärtnerin und weiteren Berufserfahrung als Fachberaterin und Bereichsleitung im Kita-Bereich schließlich Psychologie studierte und heute freiberuflich als Trainerin arbeitet. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht der Ansatz der „Positiven Disziplin“, den sie vor allem Teams, Familien und Einrichtungen nahebringt.

Was ist positive Disziplin?

Elisabeth räumt mit dem ersten Missverständnis auf: Viele hängen sich am Begriff „Disziplin“ auf, denken an Strafen oder die klassische, strenge Schule. Mit positiver Disziplin ist jedoch das genaue Gegenteil gemeint: Es geht um eine Erziehung und Führung, die komplett ohne Strafe und (äußere) Belohnung auskommt. Stattdessen stehen Ermutigung, liebevoller und konsequenter Umgang sowie der Blick auf Ressourcen und individuelle Stärken im Zentrum. Das Ziel ist, Menschen zu ihrer besten Seite zu ermutigen – sei es in der Familie, Schule oder im Unternehmen.

Der Ansatz stammt ursprünglich aus der Individualpsychologie Alfred Adlers und wurde von Dreikurs in die Praxis weiterentwickelt. Jane Nelsen und Lynn Lott haben dann in den 1980ern den Ansatz durch viele konkrete Methoden (52 Tools) bereichert. Im Mittelpunkt der Theorie stehen zwei Grundbedürfnisse des Menschen: Der Wunsch, dazu zu gehören und einen Beitrag zu leisten.

Theoretisches Fundament und gesellschaftliche Entwicklung

Georg und Elisabeth beleuchten die Ursprünge dieser Gedankenwelt und setzen sich kritisch mit unterschiedlichen Menschenbildern auseinander: Auf der einen Seite steht das Bild, dass Menschen „faul“ sind und zu Disziplin gezwungen werden müssen („Taylorismus“) – im Gegensatz zur positiven Sichtweise, dass Wohlbefinden und Wertschätzung zu positivem Verhalten und Leistung führen. Sie besprechen, wie sich gesellschaftliche Strömungen – etwa Befreiungsbewegungen, autoritäre Phasen, Aufbrüche wie in den 60ern und 70ern – immer wieder abwechseln. Elisabeth betont die Bedeutung der Unterscheidung zwischen „laissez-faire“ (alles laufen lassen ohne Rahmen) und echter bedürfnisorientierter Führung.

Übertrag auf Unternehmen – Leadership, Autorität, Menschenbild

Ein ausführlicher Schwerpunkt liegt auf der Übertragung dieser Prinzipien auf die Wirtschaft und Unternehmensführung:

Führungsrollen und natürliche Autorität

  • Elisabeth schildert, wie sie als Führungskraft Wert auf „dienende Führung“ (Servant Leadership) legte: Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Teams optimale Bedingungen haben, um ihre Arbeit gut zu tun, anstatt von einer Hierarchie „nach unten“ zu führen.
  • Natürliche Autorität entsteht nicht durch Status oder Fachwissen, sondern durch Haltung, Klarheit und die Fähigkeit, andere zu befähigen und zu respektieren.

Unterschied Fachwissen und Führungskompetenz

  • Beide stellen heraus, dass oftmals Führung mit Fachwissen und nicht mit Führungsskills begründet wird, was jedoch in der Praxis häufig nicht zu guter Führung und Motivation führt.

Menschenbild und Fehlerkultur

  • Ein zentrales Thema ist das dahinter liegende Menschenbild. Positive Disziplin basiert auf der Annahme, dass Menschen grundsätzlich motiviert sind, eine gute Leistung abzuliefern, wenn sie gesehen und ermutigt werden.
  • Neurowissenschaftliche Erkenntnisse (z. B. von Dan Siegel) belegen, dass ein positives, vertrauensvolles Umfeld das Lernen und die Entwicklung fördert. Stress und Angst hingegen führen zu Rückzug und Blockaden.
  • Fehler werden im klassischen System oft mit Schuld gleichgesetzt, was in Verteidigung und Vermeidung mündet. Im positiven Ansatz geht es um die Analyse von Situationen, Intentionen und konstruktive Entwicklung.

Fragen statt sagen – Die Rolle von Fragen in der Führung

  • Elisabeth formuliert es so: „Fragen statt sagen.“ Richtig guter Führung geht es nicht darum zu sagen, wie alles zu tun ist, sondern die Mitarbeitenden so zu fragen, dass sie ihre eigenen Lösungen finden können. Wie entwickeln sie Ideen? Was brauchen sie? Wo können sie beitragen?

Verfestigte Muster, Macht, Machtmissbrauch und Hierarchie

Ein wichtiger Diskussionspunkt ist das Thema Macht in Organisationen:

Machtverhältnisse bewusst reflektieren

  • Elisabeth bringt ein anschauliches Beispiel: Als neue Bereichsleiterin verplauderte sie sich mit einer untergeordneten Kita-Leitung, die sich aber nicht traute, zu sagen, dass sie zum Geburtstag ihrer Tochter müsse – ein unsichtbares, aber sehr wirkungsvolles Machtverhältnis.
  • Solche „unsichtbaren Regeln“ verhindern ehrliches Feedback und führen dazu, dass Führungskräfte faktisch keinen Spiegel mehr bekommen.

Konsequenzen mangelnder Feedbackkultur

  • Georg ergänzt das Beispiel aus Konzernperspektive: Viele Managemententscheidungen (z.B. der spontane Wunsch nach einer Präsentation) lösen riesige interne Prozesse und oft auch ineffiziente Arbeitsweisen aus, weil niemand „Nein“ sagt oder Feedback gibt.

Klarheit, Struktur und Feedbackkultur

Gerade positives Menschenbild und Klarheit gehen zusammen:

  • Elisabeth weist darauf hin, dass Klarheit extrem hilfreich ist und auch Erwartungen und Prozesse (z. B. Beschwerdeverfahren, Handhabung von ad-hoc-Anfragen, Kommunikationswege) klar geregelt sein sollten – das nimmt Angst, reduziert Unsicherheit und schafft Verbindlichkeit.
  • Eine echte Feedbackkultur setzt voraus, dass Führungskräfte nicht nur Feedback geben, sondern es auch annehmen können – was wiederum auf Selbstreflexion und Emotionsregulation beruht.

Beziehungsorientiertes Arbeiten als Zukunftskompetenz

  • In der modernen Führung ist Empathie und Beziehungsfähigkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor. Es hilft nicht nur, einen „sicheren Raum“ (psychological safety) herzustellen, sondern fördert auch Innovation und langfristige Bindung.

Krisen, Stressmuster und gesellschaftliche Rückschritte

Kollektives Krisenverhalten

  • Elisabeth und Georg diskutieren, warum in Krisen („Corona, multiple Krisen, geopolitische Unsicherheit“) oft ein Ruf nach mehr Autorität, Regeln und Kontrolle laut wird – und wie das paradoxerweise wenig Sicherheit gibt, weil Gestaltungsräume, Selbstwirksamkeit und Motivation reduziert werden.
  • Sie argumentieren, dass echte Resilienz und Innovationsfähigkeit gerade im Krisenmodus von einer gefestigten beziehungs- und stärkenorientierten Führung abhängt, die Mut zu Eigenverantwortung, Vertrauen und Fehlerfreundlichkeit macht.

Neurowissenschaftlicher Hintergrund

  • Der Rückgriff auf alte, autoritäre Muster wird auch neuropsychologisch erklärt: In Stress und Angst (fight, flight, freeze) werden neue Verhaltensweisen und Einstellungen kaum aktiviert, sondern altbewährte Muster laufen ab.

Konkrete Methoden und Beispiele aus der Praxis

Elisabeth bringt verschiedene Methoden aus der positiven Disziplin ein, die sich leicht auf Unternehmen übertragen lassen:

  • Klassenräte/Teamräte: Ein Instrument, das ursprünglich aus der Pädagogik stammt: In regelmäßigen, strukturierten Meetings können alle Beteiligten (egal welche Hierarchiestufe) Themen einbringen, Anliegen besprechen und gemeinsam Lösungen suchen. Das fördert echte Teilhabe, Ideenvielfalt und kollektive Verantwortung.
  • Toolbox positive Disziplin: 52 konkrete Tools unterstützen die praktische Umsetzung im Führungsalltag – von der ressourcenorientierten Kommunikation bis zur gemeinsamen Problemlösung.

Disziplin und Struktur – kein Gegensatz zur Beziehungsorientierung

  • Disziplin bedeutet im ursprünglichen Sinn das regelmäßige, beharrliche Üben an etwas, nicht Kontrolle oder Strenge um der Strenge willen.
  • Gerade Führung muss diszipliniert sein, um Beziehungen nachhaltig zu pflegen, Feedbackprozesse ernsthaft zu führen und Veränderungen konsistent zu begleiten.

Haltung, Klarheit, Selbstreflexion und Empowerment

  • Das „richtige“ Menschenbild, das auf Vertrauen, Entwicklung, Teilhabe und Wertschätzung basiert, ist nach Einschätzung beider Gesprächspartner die zentrale Grundlage für zukunftsfähige Unternehmen und resiliente Gesellschaften.
  • Führung muss bereit sein, Verantwortung abzugeben, Mitarbeitende ehrlich zu stärken und selbstkritisch zu prüfen, welchen Teil sie zu informellen Normen und hinderlichen Mustern beiträgt.
  • Mitarbeiter/innen brauchen Klarheit über ihre Rolle, Aufgaben, Zuständigkeiten, aber auch einen echten Raum für Ideen, Rückmeldungen und Entwicklung.

Abschluss und Ausblick

  • Georg und Elisabeth beenden das Gespräch mit einem optimistischen Ausblick: Es gibt viele erprobte Ansätze, die – wenn sie mit den richtigen Grundhaltungen angewendet und konsequent organisiert werden – zu messbar besseren Ergebnissen in Teams und ganzen Organisationen führen.
  • Sie fordern Unternehmen und Führungskräfte auf, beziehungs- und stärkenorientierte Führung nicht als „nice to have“, sondern als strategische Voraussetzung zu begreifen. Die nötigen Instrumente und Methoden gibt es bereits – entscheidend ist, sie systematisch zur Anwendung zu bringen und Führungskräfte darin wirklich zu befähigen.

Fazit

Die Podcastfolge bietet einen inhaltlich sehr dichten Einblick in die Prinzipien der positiven Disziplin und deren Übertrag auf Führung und Unternehmenskultur. Besonders gelingt es Elisabeth Krista, ihre praktischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Hintergründe lebendig und anschaulich mit gesellschaftskritischen Beobachtungen zu verbinden. Das Gespräch bleibt dabei trotz der Tiefe stets persönlich, zugewandt und humorvoll.

Im Zentrum steht die Botschaft: Menschen wollen beitragen und dazugehören. Führung und Unternehmenskultur sind dann erfolgreich, wenn sie Empathie, Klarheit, Selbstreflexion und echte Teilhabe konsequent ermöglichen – und zwar besonders in herausfordernden Zeiten. Positive Disziplin liefert hierfür wertvolle Impulse und Werkzeuge.

Alle Links zu Elisabeth Krista:

LinkedIn: https://www.linkedin.com/company/elisabeth-krista/

Unternehmen: https://www.elisabethkrista.com/