Über Carina Scharf

Carina hat mit über 10 Jahren Erfahrung im Personalmanagement im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Druck, rechtlicher Komplexität und menschlichem Anspruch agiert und Unternehmen bei der Performance Genesung unterstützt.

Über die Episode

In dieser Episode begrüßt Georg Wolfgang Carina Scharf, Gründerin von humanique solutions, Expertin für Low-Performance-Lösungen und langjährige Personalleiterin. Gemeinsam tauchen die beiden tief in das Thema „Low Performance“ ein – ein Begriff, der oft als Stigma genutzt, im Alltag jedoch selten differenziert betrachtet wird.

Carina stellt sich als Gründerin von humanique solutions vor. Ihr Unternehmensname ist Programm: Die Symbiose aus „human“ und „unique“, also Mensch und Einzigartigkeit, bildet die Basis ihrer Haltung und Beratungsarbeit. Seit über zehn Jahren ist Carina im Personalmanagement tätig, hat selbst Führungserfahrung gesammelt und ist im Leistungssport-Karate sozialisiert worden. Diese persönliche Prägung hat auch stark ihre Sicht auf das Leistungs- und Teamverständnis in Unternehmen beeinflusst. Ihre Mission: Das Thema Low Performance in Deutschland enttabuisieren und zeigen, wie man Mitarbeitende wieder zu neuer Leistungsfähigkeit befähigen kann – oder klärende Trennungsprozesse professionell begleitet.

Performance und Sport – Analogie mit Karate

Carina und Georg finden im Gespräch schnell eine gemeinsame Ebene durch den Bezug zum Sport (besonders Karate). Carina bringt ein: Im Karate hast du zwar dauerhaft deinen erreichten Gurt, doch echte Leistung zeigt sich im aktuellen Tun, nicht in vergangenen Erfolgen. Gleichzeitig gibt es auch Regeln im Wettkampf, wobei nicht nur die reine Performance, sondern auch das Verhalten (Teamgeist, Regelkonformität) bewertet wird. Das ist übertragbar auf die Arbeitswelt: Ein High-Performer kann durch toxisches Verhalten dennoch das Team und damit die gesamte Organisation schwächen.

Was ist eigentlich Low Performance? – Einordnung und Definition

Georg und Carina klären, dass der Begriff Low Performance oft unprofessionell verwendet wird. In der deutschen Rechtsprechung gilt ein:e Mitarbeitende:r dann als Low Performer, wenn er/sie 30 % weniger leistet als die Vergleichsgruppe – quantitativ (z.B. Output) oder qualitativ (z.B. Ergebnisqualität). Wichtig: Nicht jede:r, der hinten liegt, ist automatisch Low Performer. Entscheidend ist die Relation zur Gruppe und die objektive Messbarkeit, nicht das subjektive Gefühl einer Führungskraft.

Der differenzierte Blick auf Leistung

Leistung ist mehr als Anwesenheit oder abgeleistete Arbeitsstunden. Carina betont, dass Führungskräfte die Erwartungen (z. B. durch klare Stellenbeschreibungen) definieren und transparent kommunizieren müssen, damit sowohl die Ziele als auch die Rahmenbedingungen eindeutig abgesteckt sind. Nur so ist es möglich, Performance objektiv zu bewerten und Menschen gezielt zu entwickeln – oder eben, falls nötig, Konsequenzen einzuleiten.

Skill-Will-Matrix: Können und Wollen

Ein zentrales Tool in Carinas Arbeit ist die Skill-Will-Matrix. Sie unterscheidet:

  • Können und wollen: High Performer, die gefördert werden müssen
  • Wollen, aber nicht können: Hier bedarf es Qualifizierungsmaßnahmen
  • Können, aber nicht wollen: Ursachenforschung und Motivation sind gefragt
  • Weder können noch wollen: Engmaschige Führung, Überprüfung des Fits – ggf. Trennung

Durch diese Differenzierung wird klar, dass „Low Performance“ nicht einfach ein Personenmerkmal ist, sondern stark vom Kontext, den Rahmenbedingungen und der Führungsqualität abhängt.

Führungskultur als Schlüssel zur Performance

Georg bringt kritisch ein, dass oftmals gerade Führungskräfte nie auf ihre Führungskompetenz und Leistungsfähigkeit als Führungskraft überprüft werden, sondern im System befördert wurden, weil sie fachlich kompetent sind. Carina ergänzt, wie schädlich es sei, an solchen Beförderungen festzuhalten, obwohl oft keine wirklichen Leadership-Skills vorliegen – ein klassisches Systemproblem. Sie fordert eine echte Professionalisierung von Führung und Service-Orientierung: Führung ist Dienstleistung am Team und muss als solche strukturell gelebt und bewertet werden.

Führungskraft sein – Passion oder Zwang?

Beide sind sich einig: Führung ist kein Selbstzweck. Menschen sollten Karriere als Experten genauso wertvoll erleben dürfen, wie eine Karriere auf Führungsebene. Dazu braucht es aber eine Unternehmenskultur, die das möglich macht – inklusive echter Konsequenzen für Führungsversagen und passenden Entwicklungspfaden für Spezialisten*innen.

Leistungskultur, Wertschätzung & Menschenbild

Ein wesentlicher Bestandteil einer gesunden Leistungskultur ist das Menschenbild des Unternehmens. Carina plädiert für ein grundsätzlich wertschätzendes Menschenbild auf Augenhöhe. Die Wahrheit ist: Menschen wollen in der Regel einen wertvollen Beitrag leisten, setzen ihre Stärken gerne ein, möchten aber auch passend eingesetzt werden. Deshalb geht es immer um beidseitige Verantwortung: Unternehmen, die den Rahmen und Entwicklungsmöglichkeiten bieten, und Mitarbeitende, die Gegenleistung für ihr Gehalt bringen.

Wird Low Performance dagegen einfach toleriert, ist das für Unternehmen die teuerste Lösung, weil Unzufriedenheit, Fluktuation und versteckte Kosten (Qualitätseinbußen, Krankenstände, Demotivation im Team) erheblich steigen.

Low Performer – Symptom oder Ursache?

Carina verdeutlicht, dass Low Performance in fast allen Fällen nur ein Symptom ist. Die Ursachen können vielfältig sein: private Faktoren, Skills, Motivation, Rahmenbedingungen, Passung zur Rolle, schlechte Führung oder ungeeignete Prozesse. Wichtig ist daher, kritisch und systematisch zu analysieren, wo man ansetzen kann:

  • Transformative Maßnahmen (Weiterentwicklung, Jobcrafting, neue Aufgaben)
  • Veränderung der Rahmenbedingungen (flexiblere Arbeitszeiten, Versetzung)
  • Oder, als letzte Option: Trennungsprozesse, aber transparent, wertschätzend und fair

Performance messen und transparent machen

Georg und Carina plädieren dafür, Performance professionell zu messen und transparent zu machen. Objektive Kriterien, regelmäßiges Feedback, klare Ziele und Peer-Kalibrierungen sorgen für ein faires Bild und verhindern subjektive Verzerrungen, persönliche Antipathien oder das unreflektierte Bild des „gefühlt schlechten Mitarbeiters“.

Das Dilemma vieler Unternehmen: Harmonie, Fachkräftemangel und echte Konsequenz

Oftmals scheuen Führungskräfte die Auseinandersetzung mit Low Performern aus Harmoniebestreben oder aus Angst vor juristischen (arbeitsrechtlichen) Konsequenzen. Ein zusätzliches Argument for Toleranz: Fachkräftemangel. Carina widerspricht vehement: Den falschen Mitarbeiter zu behalten, ist teurer, als konsequent umzusteuern und/oder eine Lücke in Kauf zu nehmen.

Kultur und Motivation – warum eigentlich performen?

Wertschätzung für individuelle Beiträge ist entscheidend, um High Performer im Unternehmen zu halten. Wird Low Performance toleriert, sinkt die Motivation und der Rest macht nur noch Dienst nach Vorschrift – oder die Leistungsträger wandern ab (exit of the best, merger of the rest). Gerade die große Mitte, die „70 % Durchschnitt“, sind das produktive Rückgrat jedes Unternehmens und bieten das größte Potenzial für Entwicklung – wenn man konsequent mit Low und High Performern arbeitet.

Fazit: Nachhaltige, menschliche Leistungskultur ist Chefsache und Teamverantwortung

Die Episode macht deutlich: Es braucht einen Kulturwandel hin zu echter, wertschätzender und transparenter Leistungskultur, die das Menschenbild in den Mittelpunkt rückt. Wertschätzung, faire Messung, Entwicklungschancen und ein souveräner, professioneller Umgang mit Low Performance sind unerlässlich. Unternehmen müssen (gerade in der aktuellen Zeit des Wandels) den Mut haben, Führung neu zu denken, konsequent umzusetzen und dabei immer wieder auf die Ursachen von Low Performance und nicht nur auf die Symptome zu schauen.

Lasst uns gemeinsam die Arbeitswelt transformieren – mit mehr Menschlichkeit, mehr Bewusstsein für individuelle Stärken und dem Mut, Performance neu zu definieren. Nur so kann eine nachhaltige, produktive und positive Leistungskultur wachsen.