Über Jeanette Rauhs
“Wer weniger hört, sieht mehr.”
Vor Allem auch ganz deutlich die Superkräfte in anderen. Das beschreibt den genetischen Defekt von Jeanette und die daraus resultierende Hörbeeinträchtigung.“ Jeanette Rauhs, seit 25 Jahren in der Personal- und Organisationsentwicklung tätig und Gründerin des Wiener Startups Be.See., verbindet fundierte Erfahrung mit Pioniergeist.
Be.See. macht die verdeckten Superkräfte der Menschen sichtbar, Entwicklung besprechbar und empowert so Teams und ganze Organisationen.
Ziel ist es, nachhaltigen Teamzusammenhalt, psychologische Sicherheit und Zukunftsfähigkeit zu fördern
Über die Episode
In dieser inspirierenden CULTiTALK-Folge spricht Host Georg Wolfgang mit Jeanette Rauhs, Gründerin von Be.See. Gemeinsam tauchen die beiden tief in die Welt der Personal- und Organisationsentwicklung ein und beleuchten, warum Wertschätzung, das Erkennen von Superkräften und das demokratische Verteilen von Feedback keine „nice to haves“, sondern essentielle Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Teams sind.
Jeanette Rauhs ist schon seit über 25 Jahren in der Personal- und Organisationsentwicklung tätig. Nachdem sie Wirtschaft studiert hat und früh in die Beratung „hineingekippt“ ist, arbeitet sie heute mit großer Leidenschaft daran, den Blick in Organisationen auf Potenziale, Standorte und effektive Veränderungen zu lenken. Vor fast 20 Jahren hat sie sich selbstständig gemacht und verschiedene Wege in der Beratung eingeschlagen. Ihre große Energiequelle und das Gründungsmotiv für Be.See. kommt aus einer wiederkehrenden Beobachtung: Menschen kennen oft ihre eigenen „Superkräfte“ nicht – ihre individuellen Stärken und Potenziale, die sie leicht und mit Freude einbringen können.
Superkräfte und die Leistungskultur
Ein zentrales Thema der Folge ist die Frage, wie wir in unserer Kultur Leistung definieren und wahrnehmen. Jeanette und Georg sind sich einig: Es gibt ein tiefes Missverständnis – oft wird Leistung mit Anstrengung gleichgesetzt. Wer mit Leichtigkeit glänzt, bekommt nur selten Anerkennung. Schule und Arbeitswelt sind meist so gestrickt, dass vor allem Anstrengung und Normierung im Mittelpunkt stehen, nicht das individuelle Talent oder die Superkraft. Typisch ist die Haltung: „Wenn’s dir leichtfällt, ist es nicht viel wert.“
Jeanette stellt die These auf: Superkräfte sind genau die Stärken, die einem besonders leichtfallen – und gerade deshalb werden sie oft nicht erkannt oder gewürdigt. Häufig fehlt uns auch einfach eine vielfältige Sprache, sie überhaupt zu benennen. Studien zeigen, wie limitiert unser Vokabular ist, um Gefühle oder besondere Eigenschaften zu beschreiben. Feedback in Organisationen läuft oft über anonyme Skalen oder pauschale Adjektive – das reicht aber nicht, um das Bedürfnis nach echter Wertschätzung und Zugehörigkeit zu erfüllen.
Feedback und Zugehörigkeit als Businessfaktor
Die beiden diskutieren, dass das Gesehenwerden und das Gefühl, mit den eigenen Kompetenzen und Grenzen ernstgenommen zu werden, keine „softe“ Sozialhygiene ist: Es ist ein harter Erfolgsfaktor. Studien (z.B. über psychologische Sicherheit) zeigen, dass Wertschätzung und Anerkennung entscheidend für Innovationskraft, Resilienz und Produktivität sind. Wer sich gesehen fühlt, ist stärker verbunden mit dem Team und geht engagierter, eigenverantwortlicher und lösungsorientierter an die Arbeit – über alle Hierarchieebenen hinweg.
Der Be.See. Ansatz: Intuition, kollektives Wissen und die 99 Superkräfte
Jeanettes Antwort auf das „Superkraft-Rätsel“ ist Be.See.: Ein Prozess, der Teams ermöglicht, sich durch die Augen der anderen zu sehen und so die eigenen Potenziale zu entdecken und zu entwickeln. Das Herzstück dabei sind die 99 Superkräfte – keine theoretischen Konstrukte, sondern aus der Praxis gesammelt. Sie werden auf diffusionsoffenen Karten dargestellt, die bei Workshop-Prozessen eingesetzt werden. Durch diese Karten gelingt es, die Intuition der Teilnehmenden anzusprechen: Im Prozess wählt man für andere Teammitglieder Superkräfte aus, die einem bei ihnen auffallen, und gibt diese mitsamt einer persönlichen Geschichte oder einem Beispiel weiter.
Dieser Ansatz ist zutiefst demokratisch: Nicht nur Führungskräfte geben Feedback, sondern das gesamte Team. So entsteht ein kollektives Bild der Stärken. Die Führungskraft ist Teil des Prozesses, erlebt Wertschätzung, ist aber nicht alleiniger Feedback-Garant. Gerade in stark hierarchischen Organisationen ist das ein Quantensprung. Jeanette beschreibt, wie etwa in der Bundeswehr nach kurzem Zögern eine ganz neue Dynamik entsteht, wenn Feedback und Wertschätzung teamübergreifend auf Augenhöhe geteilt werden.
Skepsis und Verbindlichkeit: Warum braucht es Struktur?
Jeanette und Georg sprechen offen über Herausforderungen: Viele Teams reagieren anfangs skeptisch auf solche Prozesse („Superkräfte – was soll das für ein Schas sein?“). Sie plädieren dafür, dass Unternehmen klare Strukturen schaffen sollten, damit Ressourcen- und Stärkenorientierung nicht dem Zufall von Führungskräften oder individuellen Launen überlassen bleibt. Manche Teilnehmenden wünschen sich sogar, dass die Prozesse „verpflichtend“ sind – analog zum Fitnessstudio: Wir kommen oft nicht aus eigener Motivation, sondern weil ein fixer Rahmen uns über die Motivationstiefs hinweg hilft. Der Appell: Wertschätzung zu demokratisieren und kollektive Intelligenz und emotionale Verbundenheit als festen Bestandteil der Team- und Kulturarbeit zu verankern.
Evaluation und Business-Impact: Kein Kuschelfaktor
Um den Business-Nutzen sichtbar zu machen, hat Be.See. beispielsweise bei einem großen Telekommunikations-Unternehmen eine umfangreiche Evaluation durchgeführt. Die Ergebnisse sind klar: Teams, die sich gesehen und gestärkt fühlen, sind nicht nur verbindlicher und arbeiten besser zusammen („Connect“), sondern sind messbar handlungsbereiter, energievoller, resilienter und entwickeln sowohl sich selbst als auch Themen weiter. Gerade in der agilen Transformation werden diese Faktoren vom Unternehmen aktiv als Fundament eingesetzt.
Jeanette findet es zwar einerseits faszinierend, die Wirkung sogar auf neurobiologischer Ebene (Oxytocin, Dopamin) messen zu können, stellt aber zugleich fest: Eigentlich braucht es dafür kein Messinstrument, das Erleben im Team spricht für sich – jeder kann dieses Grundbedürfnis nach Wertschätzung und Resonanz in sich selbst spüren.
Superkraft Feedback: Leicht, tief und verbindend
Wie gelingt es, Feedback einfach, aber gleichzeitig tiefer und persönlicher zu machen? Genau das wird im Kartenprozess spürbar: Anstatt auf einem weißen Blatt Feedback zu formulieren, helfen die 99 Superkräfte als Vehikel, die Intuition zu aktivieren. Die Karten machen es einfach, sich schnell und konkret daran zu erinnern, was eine Person ausmacht. Die Überreichung ist nicht nur symbolisch wertvoll, sondern erzeugt durch die haptische und rituelle Komponente nachhaltige Wirkung. Die Geschichten und Erlebnisse hinter den Superkräften sind zentral – sie machen Wertschätzung erlebbar und laden auch dazu ein, Entwicklungspotenziale in einer positiven, einladenden Sprache zu vermitteln („Erlauber“ und „Einladungen“ statt Kritik und Defizite).
Jeanette teilt hier auch sehr persönlich, wie sie selbst ihre Superkraft „Zuversicht verkörpern“ erst durch das Feedback von außen erkennen konnte – obwohl sie durch ihre eigene familiäre Prägung eher an das Gegenteil geglaubt hatte.
Die Vision: Be.See. als Bewegung | Schule als Zukunftslabor
Be.See. bleibt nicht bei Unternehmen stehen: Jeanette und ihr Team, Mirjam Seher und Christl Bubik, bauen aktuell die „Be.See. goes School“ auf. Zuerst bekommen Lehrkräfte im Team den Superkräfte-Boost, dann arbeiten sie auch mit Schulklassen, damit Kinder und Jugendliche sich frühzeitig in ihren Talenten und Besonderheiten wahrnehmen und wertschätzen lernen. Ziel ist, gesellschaftliche Glaubenssätze („wenn etwas leicht ist, ist es nichts wert“) schon früh zu hinterfragen und Raum für Identitätsbildung und Selbstbewusstsein zu schaffen. Die ersten Projekte laufen bereits, und Georg als Vater zeigt sich begeistert, dass solche Formate bald ein selbstverständlicher Teil des Schulalltags sein könnten – und sollten.
Jeanettes persönliche Geschichte: Von der Behinderung zur Superkraft
Besonders wertvoll ist, wie offen Jeanette über ihren eigenen Weg spricht: Sie und ihre Tochter haben einen genetischen Defekt, der dazu führt, dass sie hohe Töne nicht hören kann. Das hat sie in Online-Situationen oft herausgefordert, aber auch geschult: Weil sie auf Mimik und Körpersprache angewiesen ist, hat sie ganz andere „Überlebensmuskeln“ (Resonanz, Intuition, echte Begegnung) ausgebildet. Heute sind diese Kompetenzen nicht nur ihre persönliche Stärke, sondern wohl auch ein gutes Beispiel für das, was Be.See. vermitteln will: Aus Herausforderungen können echte Superkräfte wachsen – wenn sie gesehen, anerkannt und eingebracht werden.
Fazit: Wertschätzung, Superkräfte & kollektives Wachstum als Zukunft
Zum Abschluss der Episode stellen Georg und Jeanette nochmal klar: Der Fokus auf Superkräfte, Vielfalt, kollektive Wertschätzung und Zugehörigkeit ist kein „Luxusproblem“, sondern für gelingende, moderne Organisationen und Gesellschaften essentiell – und ein harter Wettbewerbsfaktor. Sie laden Unternehmen dazu ein, diesen Weg aktiv zu gestalten und Verantwortung für emotionale und kulturelle Rahmenbedingungen zu übernehmen.
Jeanette und Georg verabschieden sich mit viel Inspiration, gegenseitiger Wertschätzung – und der Hoffnung, dass Superkräfte in Unternehmen und Schulen bald so selbstverständlich sichtbar und gefeiert werden wie fachliches Wissen oder Schulleistungen.
Weitere Infos und Einblicke zum Prozess gibt es auf: www.be-see.me
Alle Links zu Jeanette Rauhs:
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/jeanette-rauhs-1a589515b/
Unternehmen: https://be-see.me/